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Unabhängiges Gutachten bestätigt Merrets Bedenken

Dauerwohnraum auf Sylt schaffen! © Hans Jessel
Jetzt Schwarz auf Weiß: Ferienwohnungen erdrosseln das Inselleben auf Sylt
Seriöses Gutachten mit erschreckenden Ergebnissen. Bauausschuss lädt Bürger und Bürgerinnen für kommenden Dienstag ins Schulzentrum Sylt ein. 19:30 Uhr.
„Die Menge des zweckentfremdeten Wohnraums ist bereits heute viel zu hoch und alle Teillagen der Gemeinde sind von den Effekten betroffen, es wird höchste Zeit offensiver gegenzusteuern.“ Das ist – zusammengefasst in einen Satz – das Ergebnis einer umfangreichen Studie, die von der Gemeinde Sylt in Auftrag gegeben worden war und kommenden Dienstag im Schulzentrum diskutiert wird.
„Die Wirkung gefährdet in einigen Lagen bereits die Aufrechterhaltung des Ortsteillebens, da immer weniger Dauerbevölkerung bspw. für das Ehrenamt, soziale Einrichtungen oder auch als Arbeitskraft zur Verfügung stehen.“
Wer die 117 Seiten dieses Gutachtens liest, bekommt ein realistisches Bild, in welcher bedrohlichen Schieflage sich die Insel Sylt bereits befindet. Merret zitiert wichtige Passagen aus dem Gutachten.
+++ Ausufernde Bautätigkeit +++
„Die Gemeinde Sylt verzeichnet seit dem Jahr 2011 eine eher stagnierende Bevölkerungszahl. Am 31.12.2020 lebten 13.818 mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde Sylt (Statistik Nord 2021). Das entspricht gegenüber dem Jahr 2011 einen kaum spürbaren Zuwachs von 0,8 %. Im gleichen Zeitraum nahm der Wohnungsbestand in Wohn- und Nichtwohngebäuden um mehr als 15 % zu (Statistik Nord 2021). Seit 2011 ist die Bautätigkeit auf der Insel Sylt im Durchschnitt 2,5-mal höher als im übrigen Kreis Nordfriesland und sogar 4,2-mal höher als im übrigen Schleswig-Holstein.“
+++ Keine Flächen nirgends. Dringend benötigte Wohnungen können nur noch auf dem Festland gebaut werden. +++
„In der Prognose kommen die Gutachter in Abstimmung mit den Gemeinden zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2030 weitere 2.500 Wohneinheiten benötigt werden, insbesondere auch, um der erwerbsfähigen Bevölkerung eine Unterkunft zu bieten. Auf die Gemeinde Sylt würden hierbei allein fast 1.900 WE entfallen, das entspricht mehr 16 % des Wohnungsbestandes und einer Fortsetzung der sehr aktiven Wohnbaupolitik der vergangenen Jahre. Die Analyse der aktivierbaren Flächenpotenzials zeigt aber auch, dass ein erheblicher Teil der benötigten Wohneinheiten (rd. 1.500 WE) aktuell nicht zur Verfügung steht und voraussichtlich auch nur in Kooperation mit den Nachbargemeinden und auch dem #Festland realisiert werden kann.“
+++ Das Inselleben stirbt +++
„In der Gemeinde #Sylt wurden in den letzten Jahren die Grundschule in Keitum und das Primarhaus in Morsum geschlossen. Hinzukommen inselweit Schließungen in List und Hörnum und eine Kindergartenschließung in Kampen. Einige Ortschaften (u.a. in Rantum) berichten bereits heute von Problemen bei der Mitgliedergenerierung in Vereinen und Verbänden. In kleineren Ortschaften wie Munkmarsch ist eine Aufrechterhaltung des sozialen Miteinanders ohne die Nachbarortschaften kaum noch möglich. Dem Verlust von örtlichen Dorfgaststätten kann kaum entgegengewirkt werden.“
+++ Die Infrastruktur löst sich auf +++
„Wie in vielen Fällen lässt sich bei den negativen Entwicklungen nicht der eine ausschlaggebende Grund ausmachen, jedoch spielt das Ungleichgewicht von Beherbergungsnutzungen und Dauerwohnraum eine gewichtige Rolle; hinzu kommen u.a. auch Alterungsprozesse, Rationalisierungsmaßnahmen, Nachfolgeproblematiken, der hohe Preisdruck auf den Faktor Boden und der immer weiter wachsende #Fachkräftemangel. Die besondere Schwierigkeit in der Gemeinde Sylt besteht darin, dass einmal aufgegebene Strukturen aufgrund der kaum verfügbaren und sehr teuren Entwicklungsressourcen nicht so einfach wieder hergestellt werden können. Die vorhandenen Preisstrukturen erfordern zudem einen hohen Steuerungsaufwand, um sozialen und altersstrukturellen Segregationsprozessen entgegenzuwirken.“
+++ Die Einheimischen sind gestresst +++
„Fast drei Viertel der Befragten haben in den vergangen 10 Jahren einen deutlichen Zuwachs des #Tourismus auf der Insel wahrgenommen. Hinsichtlich der Bautätigkeit ergibt sich ein Spiegelbild zur Belastungsempfindung auf dem Wohnungsmarkt. Rd. 80-90 % der Befragten empfinden eine zu hohe Bautätigkeit bei Ferien- und #Zweitwohnungen, in der Hotellerie und auf der Insel insgesamt. Hingegen wird der Mangel an Unterkünften für Saisonkräfte und Einheimische als deutliches Defizit identifiziert, ebenso wie der zu geringe Fokus auf Bestandsimmobilien. Über 54 % der Befragten beurteilen die Auswirkungen des Tourismus für die Insel Sylt als eher negativ bis überwiegend negativ. Nur ein rd. ein Drittel der Befragten beurteilt die Effekte eher positiv bis überwiegend positiv. Innerhalb der Gemeinde Sylt wurden Werte die noch kritischer als der Inseldurchschnitt beurteilten in den weniger vom Wirtschaftsfaktor abhängigen Ortschaften Archsum und Morsum erzielt.“
+++ #Zweckentfremdungsverbot muss kommen +++
„Ein konsequentes Umdenken, das von einer aktiven Städtebaupolitik zu Gunsten von bezahlbarem Wohnraum, einer Entschärfung von bereits eingetretenen Verkehrsproblemen und strengeren Ordnungsmaßnahmen begleitet wird, ist gutachterlich ausdrücklich empfohlen. Die Voraussetzungen für die Einführung einer Zweckentfremdungsverbotssatzung wären auch in den Ortschaften der Gemeinde Sylt gegeben. Das Beherbergungskonzept könnte hierzu als Begründungsgrundlage genutzt werden. Allerdings scheitert es an der fehlenden Landesverordnung in Schleswig-Holstein. (…) Da zwischenzeitlich in fast allen deutschen Bundesländern eine Verordnung zur #Zweckentfremdung von Wohnraum existiert, sollte ergänzend auch in Schleswig-Holstein auf eine Anpassung der Rahmenbedingungen hingewirkt werden.“
+++ Was es außerdem noch braucht +++
▪ die verschärfte Durchführung und Reglementierung von Ordnungsmaßnahmen (regelmäßige Kontrollen) bei der Zweckentfremdung von Dauerwohnraum unter Einbeziehung des Kreis Nordfriesland
▪ pressewirksame Kontaktaufnahme zu den Portalbetreibern mit den Zielen: Verstöße aufzudecken, Meldungen zu erhöhen und Nutzungsintensitäten zu senken
▪ die Umsetzung einer Statistiksatzung, die die transparente Darstellung von allen Wohnungen, die als Ferienwohnungen angeboten werden, und die Darstellung von Nebenwohnsitzen ermöglicht.
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Schwarz auf Weiß, was alle hier seit Jahren wissen. Vielleicht ändert sich endlich etwas zum Besseren. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir sehen uns im Schulzentrum, Dienstag, 3. Mai, 19:30 Uhr.