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Leserbriefe und Repliken

Leserbrief in der Sylter Rundschau zu: Sylter Kaufleute fordern Hilfe

Am 8.3. fand sich ein interessanter Bericht in der Sylter Rundschau.
Die Sylter Unternehmer planen nichts Geringeres als „einen Zuwachs an Wertschöpfung“. Ab November soll unsere Insel die „Weihnachtsinsel Sylt“ werden. Insbesondere Westerland soll als „zauberhaftes Winter Wunderland“ illuminiert werden, und so viele Gäste anziehen, dass die Corona-Einbußen hoffentlich aufgefangen werden. Gesamtkosten für ein jährlich stattfindendes Lichtspektakel betragen geschätzte 500.000.- €, die sich im Laufe der kommenden Jahre amortisieren  werden.

Ein Vorschlag, den man mehrmals lesen muss, um ihn in Gänze zu begreifen.

In den letzten Monaten wurde sehr deutlich, dass die Mehrzahl der Bewohner das nicht mehr will. Kein Mehr an Gästen, kein Mehr an Unruhe, kein Mehr an Verkehr. Nachzulesen in der von der Sylt Marketing Gesellschaft in Auftrag gegebenen Analyse und zu erkennen an der Tatsache, dass Bürgernetzwerke wie „Merret reicht´s“ regen Zulauf haben.

Auch die Bürgermeisterwahl zeigt deutlich, dass die konservativen Wahlprogramme, die den Autoverkehr nicht in seine Schranken weisen will und der Landesregierung beim weiteren Ausbau des Tourismus folgen,  einfach keine Mehrheiten mehr finden.

Und trotz dieses signifikant auffälligen Widerstandes der Einheimischen planen die unternehmerischen Entscheidungsträger dieser Insel,  ein „weiter so“. Beziehungsweise ein „wir brauchen noch mehr als bisher.“

Hört hier jemand nicht richtig zu? Oder ist das bewusste Ignoranz?

Das Verblüffendste aber ist, dass wohl alle und jeder verstanden haben, dass es langsam mal auf Nachhaltigkeit ankommt, weil wir in einer Zeit der wachsenden Klimakatastrophe leben. Unsere Insel wird in Zukunft ganz besonders gefährdet sein und die Antwort auf unsere Probleme ist eine energieverschwendende Beleuchtung zu Weihnachten???

Wo auch immer das Problem liegen mag, eines ist klar: auf Sylt stimmt irgendetwas mit der Kommunikation nicht. Und hier waren sich ja zum Glück alle, die unbedingt Bürgermeister von Sylt werden wollten, einig: die Bürgerbeteiligung muss verstärkt werden.

Lasst uns gleich damit anfangen! Lasst uns darüber nachdenken, ob das posten von beleuchteten Masten oder Weihnachtsmännern bei Instagram ein Hinweis darauf ist, dass die SylterInnen gerne eine Verlagerung der Saison in den Winter haben möchten.

Lasst uns überlegen, was man mit 500.000,- € sinnstiftend machen kann, um unsere Sozialstruktur zu stärken. Lasst uns deutlich machen, was wir am dringendsten benötigen.

Aus Liebe zu Sylt
Bürgernetzwerk „Merret-Reichts“
im Namen des Strategiekreises
S.v.Bremen

Leserbrief-Antwort der Sylter Unternehmer vom 13.3.21

„Bringt Euch aktiv in die Politik ein“

Liebe Silke von Bremen,
wir schätzen Dein Engagement zum Erhalt der Sylter Geschichte und des Sylter Brauchtums. Die Art und Weise, wie Du jedoch in Deinem Leserbrief „Hört hier jemand nicht richtig zu?“ in Richtung des Vereins Sylter Unternehmer austeilst, können wir allerdings nicht unkommentiert stehen lassen. Ein „Schneller, Höher, Weiter“ wird es auf Sylt in Zukunft so wie bisher sicher nicht mehr geben, das ist uns schon länger klar und wir versuchen, die Themen Ökologie, Tourismus und Inselliebe unter einen Hut zu bringen, was bestimmt nicht einfach ist.
Du gehst beispielsweise auf das Thema Nachhaltigkeit ein, sprichst von einer „energieverschwendenden Beleuchtung“. Was bringt Dich zu der Annahme? Die (ohnehin beeinflussbare) Anzahl der Objekte? Wusstest Du, dass die in dem Konzept geplante Winterbeleuchtung trotz des Einsatzes von größeren 3D-Objekten aufgrund der Verwendung neuester energiesparender (und entsprechend langlebiger) Technik eine Ersparnis von ca. 30 Prozent im Vergleich zum Verbrauch der jetzigen Beleuchtung darstellt?
Des Weiteren sind viele der eingesetzten Materialien mit einem Holzanteil von bis zu 40 Prozent hergestellt und bestehen aus einem Biowerkstoff, der zudem zu 100 Prozent recyclebar sowie stofflich wiederverwendbar ist.
Warum suchst Du hier nicht das Gespräch, bevor Du zu derartigen Schlussfolgerungen kommst? Du hast offensichtlich völlig recht, „dass auf Sylt irgendetwas mit der Kommunikation nicht stimmt“.
Was in dem Artikel „Sylter Kaufleute fordern Hilfe“ zum Ausdruck kommen sollte: Der stationäre Handel ist in Gefahr. Deshalb braucht es attraktive Innenstädte, um diesen Ort der Begegnung und auch dessen wirtschaftliche Strukturen mit einer eigenen Identität durch inhabergeführte Geschäfte zu erhalten. Die Wirtschaft ist ein immer gern gesehener Partner, wenn es zum Beispiel um Spenden und Unterstützung zum Erhalt von Kultur- oder Kunstprojekten, der Anschaffung zum Beispiel von Vereinsbussen für Sportvereine oder ähnliches geht. Solche Unterstützung liefern wir gerne. Aber das Geld muss auch irgendwann verdient werden.
In der Konsequenz geht es darum, die Aufenthaltsqualität und Attraktivität in der Innenstadt zu erhalten – das gilt übrigens gleichermaßen für Gäste und (!) Einheimische. Wenn die Innenstädte eingehen, Leerstände zunehmen und verkommen, kann das doch einem Bürgernetzwerk wie Euch nicht egal sein. Zumal die Wirtschaft in den jetzigen Coronazeiten jede Hilfe braucht, um über die Runden zu kommen, Ausbildungs-, Arbeitsplätze und Perspektiven zu erhalten. Es geht doch jenseits jeder Emotionalität um eines: Eine mittlerweile über 15 Jahre alte Weihnachtsbeleuchtung zeitgemäß und zukunftsfähig auszutauschen – sowohl hinsichtlich Technik als auch Optik – und die Innenstadt dadurch in der Winterzeit aufzuwerten.
Du forderst weiter eine verstärkte Bürgerbeteiligung. Interessanterweise hat gerade diese über den Beleuchtungswettbewerb aktiv stattgefunden. Die Teilnahme und das Interesse der Einheimischen (Gäste waren ja zu der Zeit nicht auf der Insel) waren beeindruckend hoch. Uns erreichte viel Zuspruch, viele Sylter (!) genossen die Inszenierungen und verbanden dies mit einem Bummel in der dunklen „Lockdown-Zeit“ durch die Innenstadt.
Zudem: Die Konzeptidee besteht aus mehreren veränderbaren Komponenten. Dabei bezieht sich die von Dir genannte Summe von 500 000 Euro auf eine Umsetzung des kompletten Konzeptes im Westerländer Innenstadtbereich. Es können aber auch nur Teile realisiert oder eine Investition auf mehrere Jahre gestreckt werden. Unsere Bemühungen zielten darauf ab, einen Vorschlag für die Politik zu entwickeln und das Thema voranzubringen. Denn: Der Austausch der vorhandenen Beleuchtung wird ohnehin zeitnah anstehen.
Du stellst die Frage „Hört hier jemand nicht richtig zu?“. Es kommt einem eher so vor, als hört Ihr genau das, was Ihr auch hören wollt und wo Ihr die einzelnen Akteure verortet, ohne Euch mit den Hintergründen vertraut zu machen. Wenn dann auch noch jemand von einem „Zuwachs an Wertschöpfung“ spricht, schreckt das Bürgernetzwerk offensichtlich ganz empfindlich zusammen. Da wird selbst ein Projekt wie der Austausch einer Weihnachts- oder Winterbeleuchtung Ausdruck der emotionalen Diskussion um die touristische Entwicklung der Insel. Ihr wollt Bürgerbeteiligung und Einflussnahme? Die gibt es: Bringt Euch aktiv und konstruktiv selbst in die Politik ein, macht Lösungsvorschläge und gestaltet die Entwicklung mit.

Karl Max Hellner, Vorsitzender, Verein Sylter Unternehmer

Kommentar von Merret dazu:

Im September letzten Jahres haben Birte Wieda und Karl Max Hellner sich darüber ausgetauscht, dass man unbedingt miteinander reden müßte.
Herr Hellner wollte sich wieder melden… dabei blieb es.

Birte Wieda hat ihn jetzt erneut angeschrieben und um ein Treffen gebeten:

„Die Zukunft wird sich verändern, ob wir wollen oder nicht, langsam sollte es allen klarer geworden sein – da wäre es besser, rechtzeitig und gemeinsam mit dem aktiven Gestalten anzufangen – darüber würden wir gern mit Euch sprechen… “

Wir freuen uns auf das Gespräch!