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Merret trifft Habeck auf Sylt

Anlässlich seiner „KüstenTour“ stattete Robert Habeck der Insel Sylt einen Wahlkampfbesuch ab. Merret nutzte als Bürgernetzwerk die Gunst der Stunde und übergab folgenden Brief mit Forderungen an die grosse Politik:

Westerland, den 12. Juli 2021

Lieber Robert Habeck, wir brauchen Sie! Jetzt!

„Verantwortung beweist sich dann, wenn man bereit ist, über das eigene unmittelbare Interesse hinaus zu handeln.“ Dieses Zitat stammt von Ihnen und wir – das Bürgernetzwerk „Merret reicht´s“ – teilen Ihre Auffassung.
Seit Jahrzehnten erleben viele Insulaner und ihre Gäste den Raubbau an der Insel Sylt. In der Folge hat sich Politikverdrossenheit und Ohnmacht etabliert.
Wir wollen nicht länger schweigend zusehen, wie die Inselnatur und die hier lebende Gemeinschaft am „immer mehr“ des touristischen Wachstums zugrunde geht.
Seit einem Jahr arbeiten wir uns in Ursachen und Folgen von Dauerwohnraummangel, ökologische Übernutzung, Verkehrskollaps und Overtourismus unserer Heimatinsel ein.
Sylt darf nicht länger eine Goldgrube für andere sein, nicht für Kapitalanleger, die in Sylter Betongold investieren, und schon gar nicht für das Land Schleswig Holstein oder den Bund selbst ( Grunderwerbssteuer und Erbschaftssteuer sind nur zwei Aspekte), beide profitieren auf Kosten der Insulaner. Auf Sylt merken wir leider kaum etwas von Grünen Werten und Klima rettenden Schwerpunkten. Obwohl die Landesplanung mit ihrer Raumordnung schon Anfang des Jahrtausends beschlossen hatte, dass es auf den Inseln keinen weiteren Ausbau der touristischen Kapazitäten geben soll, werden trotzdem seitdem neue Großprojekte massiv vorangetrieben und sogar durch Zielabweichungsverfahren unterstützt! (Beispiel: Dünenpark in List und beim Lanserhof wurde eine ganze Düne im Naturschutzgebiet für ein Luxus-Hotel ausgehöhlt.) Ein Insulares Verkehrskonzept gibt es nicht, obwohl allein im Norden der Insel in den kommenden Jahren 900-1000 neue, überwiegend touristische und Zweitwohneinheiten entstehen.

Lieber Robert Habeck, für viele Probleme gibt es heute keine einfachen Lösungen. Wir haben verstanden, dass die Sylter Problem oftmals weder von den Kommunen –die auf der Insel weniger miteinander sondern eher gegeneinander arbeiten- noch vom Kreis, der personell unterbesetzt ist, gelöst werden können.
Dafür brauchen wir Unterstützung von Seiten der Landes- oder sogar Bundespolitik. Sie werden zur nächsten Legislaturperiode in den Bundestag einziehen. In Ihrer Bewerbungsrede um ein Direktmandat sprachen Sie davon, dass Sie den Menschen verpflichtet sind und darauf achten wollen, dass die Gesetze dem Gemeinwohl dienen. Wir brauchen Ihre Hilfe, Ihre Erfahrung auf Landesebene und Ihren zukünftigen Einfluss auf Bundesebene, um unserer Heimatinsel eine Zukunftschance zu geben.

Konkrete Fragen, um deren Beantwortung wir Sie herzlich bitten:
Auf Sylt ist Jahrzehnte lang von der Politik versäumt worden, durch Planungshoheit den Dauerwohnraum zu schützen. Wo tatsächlich Nutzungsregeln bestehen, werden Sie vom Kreis nicht kontrolliert. Aus diesen Tatsachen sind auf Sylt Geschäftsmodelle in einer Grauzone entstanden, die hohe Renditen abwerfen und Dauerwohnraum vernichten. Kann die Bürgergemeinschaft einfordern oder einklagen, dass kommunale Politik das Instrument der Planungshoheiteinsetzen muss, um das Gemeinwohl zu schützen?

Wie kann der Kreis Nordfriesland in seiner Funktion als Baurechtsprechende Instanz zur Kontrolle der Bauordnung aktiviert, aufgefordert oder gezwungen werden?

Wie können die Gemeinden in SH umfangreichere Befugnisse bekommen, um in Gebieten mit Wohnraummangel besser und schneller auf die Vernichtung von Dauerwohnraum reagieren zu können. Könnte das „Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ (NZwEWG) aus Niedersachsenauch für Schleswig Holsteinein Vorbild sein?

Wie lässt sich die Umwandlung von Ferienwohnungen in Dauerwohnraum in Zukunft fördern, finanziell anreizen oder gesetzlich erleichtern?

Wer kann tatsächlich helfen, die desolate Bahnsituation, unter der seit Jahren mehr als 5000 Pendler leiden und die die Inselwirtschaft schädigt, entscheidend zu verbessern? Könnte langfristig eine insulare Bahngesellschaft die Lösung oder ein ernster Ansatz sein, um eine nötige Mobilitätswende einzuleiten, indem die Insel selber Einfluss auf die beförderten Mengen des Individualverkehrs nehmen könnte? Wer könnte Sylt beraten?

Seit einem Jahr fordern wir, mehr Bürgerbeteiligung oder die Einsetzung von Bürgerräten kreativ zu nutzen, um somit die Probleme der Insel endlich mit bürgerlichem Rückhalt anzugehen. Gibt es die Möglichkeit direkter finanzieller Förderung von „Direkter Demokratie“, um als Bügerinitiative einen ersten insularen Bürgerrat zu initiieren?

Häuser in der Nachbarschaft werden seit Jahren wegen unfassbar hohen Erbschaftsteuerforderungen seitens des Staates verkauft, da diese sich an den märchenhaft hohen Bodenrichtwerten orientieren, ohne mangelnde Liquidität der Familien oder Sanierungsintensität der Häuser zu berücksichtigen. Kann das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzentsprechend angepasst werden, damit wir Insulaner nicht durch einen Bodenrichtwert „reich gerechnet“ werden? Denkbar wäre eine Wertsteigerungsklausel, deren steuerliche Wirkung dann rückwirkend einsetzt, wenn Liquidität durch Verkauf des Ererbten wirklich einsetzt? Derzeit verlieren wir zur nächsten Generation durch übermäßig hohe Belastung der Erben das letzte insulare Eigentum!

Sehr geehrter Herr Habeck, danke, dass Sie sich mit uns für die Belange unserer Heimat einsetzen! Beleben Sie auf Bundes- und Landesebene die Anstrengungen für die Ziele der „Deutschen Inselresolution“ der Insel- und Halligkonferenz von 2018. Helfen Sie uns und vielen anderen touristischen Destinationen, damit die leider schon sprichwörtlichen „Sylter Verhältnisse“ sich nicht weiter ausbreiten.

Ihre Merret
Fotos: C. Lohmann