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„Merret reicht’s“ wehrt sich in Kiel gegen die Beschneidung demokratischer Rechte

So nicht!

Die Landesregierung SH plant per Gesetz die Gemeindeordnung derart zu verändern, dass sich die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger:innen drastisch verschlechtern würden – mit verheerenden Wirkung vor allem  für das Baurecht, den Natur- und Klimaschutz. Das Bürgernetzwerk „Merret reicht’s“ hat mit 40 anderen Verbänden und Institutionen aus Schleswig-Holstein die Möglichkeit wahrgenommen, gegen den Gesetzesentwurf individuell Stellung zu beziehen. 

Daraufhin erhielt MERRET eine Einladung aus dem Landeshaus:

Sehr geehrte Frau Wieda,

der Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags

möchte zusätzlich zu der bereits durchgeführten schriftlichen Anhörung eine mündliche Anhörung durchführen.

Der Ausschuss bittet Sie um eine mündliche Stellungnahme in seiner Sitzung am Mittwoch, 1. März 2023, im Sitzungszimmer 142 des Landtags,Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel.

Als wenn wir auf Sylt keine Arbeit hätten…… 😉  Aber Birte Wieda hat die Challenge angenommen und eine beeindruckende Rede gehalten, auf EMOTIONEN gesetzt und für betroffene Stille im Raum gesorgt:

„Guten Tag, herzlichen Dank für die Einladung. Ich habe mich natürlich schon bei meiner Vorbereitung durch das Lesen aller Stellungnahmen am Wochenende gefragt, womit ich Ihre Aufmerksamkeit am Ende eines so langen Tages noch gewinnen kann. Da es nun so spät geworden ist (es war mittlerweile 18 Uhr!) , bedanke ich mich ganz besonders nochmal bei denen, die so lange geblieben sind. Das empfinde ich als großen Respekt mir gegenüber. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich denke, dass ich diesen Respekt auch verdient habe. Ich bin seit heute Morgen um 9:00 Uhr von Sylt aus unterwegs und ich weiß im Moment noch gar nicht, ob ich heute überhaupt noch wieder nach Hause komme. 

Kennen Sie die neue, sehr schnelle künstliche Intelligenz? (GPD) Ich habe ihr mal meiner derzeit drängendsten Fragen gestellt, nämlich die Vertrauensfrage:

 „Kann der Mensch dem Menschen vertrauen?“ Ihre Antwort, gekürzt: 

„Diese Frage ist sehr komplex und es gibt keine eindeutige Antwort darauf, da es von vielen Faktoren abhängt. Es ist u.a. wichtig, darauf zu achten, dass Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn man anderen vertraut, sollte sie einem auch vertrauen können. Es ist eine Frage des Gleichgewichts und der Fairness.“

Und nun stelle ich Ihnen heute auch die Vertrauensfrage: 

Möchten Sie, dass der Mensch dem Menschen vertraut?  Oder möchten Sie nur die Einbahnstraße, dass die Bürgerinnen und Bürger Ihnen vertrauen, am liebsten blind, und Sie dieses Vertrauen nicht gleichfalls entgegenbringen müssen? 

Ich bitte Sie, schenken Sie mir Ihr Vertrauen und ziehen sie für diesen einen Moment in Erwägung, dass ich als Bürgerin nichts anderes im Sinn habe als mitdenken, mitgestalten und mit Verantwortung tragen!

Sie müssen mich vielleicht noch besser kennenlernen, um zu entscheiden, ob Sie mir vertrauen können – gerne:

Ich wähle seit 40 Jahren, ich engagiere mich seit 30 Jahren in Bürgerinitiativen und ich habe als Gemeindevertreterin eine Legislaturperiode Kommunalpolitik in meiner Gemeinde mitgemacht.

  • ich bin Sylterin und kämpfe für den Erhalt meiner Heimat als lebendiger Lebensraum. Weil die Zustände sich aber immer weiter verschärfen, habe ich 2020 mit anderen das Bürgernetzwerk „Merret reicht`s!“ gegründet.
  • Sylt mag äußerlich als Idylle vermarktet werden, der innere Zustand ist „absolute Zerstrittenheit“ in einer politischen Verhinderungsstruktur, die insulares Handeln blockiert.
  • ein aktuelles Bürgerbegehren wurde in der Gemeinde Sylt von einem Bündnis der Oppositionsfraktionen initiiert! Die Politik holt sich beim Bürger zu einer wichtigen Fragestellung Unterstützung, fragt ab, wie sie die Zukunft für Ihn gestalten soll – das ist neu! 
  • In meiner Lebenszeit ist die soziale Infrastruktur auf Sylt durch maßloses Investment im Tourismus abgewirtschaftet worden.
  • Sylt hat 5 Bürgermeister und 85 Gemeindevertreter:innen, die seit Jahrzehnten den §1 der Gemeindeordnung – dem Gemeinwohl vereidigt werden. Doch was wir auf Sylt gerade zu Grabe tragen, ist das GEMEINWOHL. Und bald trage ich auch meine Hoffnung zu Grabe.
  • Ich gehöre nicht zu der Generation großer Demos, ich habe mit anderen immer wieder konstruktiv versucht, Einfluss auf offensichtlich falsche Mehrheitsbeschlüsse zu nehmen oder Kreativität dort einzubringen, wo Politik unserem Empfinden nach uninspiriert auf gegebene Umstände reagierte oder unter Druck abarbeitet, anstatt Zukunft vorausschauend zu gestalten.

Gefühlt: War alles vergebens.

  • Ich stehe hier müde
  • Ich stehe hier wütend
  • Die Menschen wollen gehört werden – nicht ausgeschlossen.
  • Wir haben etwas zu sagen – beizutragen zu den immer größer werdenden Problemen, vor denen wir alle gemeinsam stehen
  • Nutzen sie das – anstatt es zu unterdrücken. Vertrauen Sie uns. 
  • Fürchten Sie unseren Widerspruch? Dann nehmen Sie unsere Gesprächsangebote an. Oder denken Sie, wir sollten lieber in die Politik gehen, statt Einspruch zu erheben? 
  • Wir sind in der Politik! Gute Politik braucht Ideen und das Korrektiv der Zivilgesellschaft! Wir sind wichtig für Ihre Arbeit.

Ich habe Ihnen einen Flyer mit ergänzenden Standpunkten von 5 BI s der Westküste mitgebracht – wir haben Ihn dem Minister überreicht und ich werde Ihn auch hier verteilen, mit der Bitte, ihn mit in Ihre Fraktionen zu nehmen. 

  • Aus unserer Sicht, (und ich spreche da für alle fünf Bürgerinitiativen) begegnet man dem gesellschaftlichen Wandel am besten mit Offenheit und Fortschritt zu anderen Formen der demokratischen Mitbestimmung, damit wir die Gesellschaft aktiv weiterentwickeln.
  • Das Bürgerbegehren ist ein entscheidendes Werkzeug dabei, in Zukunft sehen wir Bürgerräte als noch wichtiger und zielführender an, da sie in ihrer Methodik eines konstruktiven Miteinanders schulen.
  • Ich befürchte, dass gegenseitige Misstrauen zerstört unsere Lebensgrundlage! 
  • Auf Sylt erlebe ich das, weltweit ist es sichtbar und spürbar und dieser Gesetzentwurf transportiert es auch.
  • Ich stehe hier mit sehr viel Verständnis für eine junge Generation, die bisher deutlich und friedlich für Ihre berechtigten Forderungen nach Zukunft eingetreten ist, die aber auch langsam die Geduld verliert.
  • Wir suchen alle nach Lösungen aus zT selbstverschuldeten Krisen. Auf Sylt und überhaupt. Wenn Sie uns diesen Weg der Anteilnahme erschweren, vertrauen Sie am Ende weder uns – noch sich selbst!

 

 

Am 17.03. wird die angestrebte Gesetzesänderung leider mit unwesentlichen Korrekturen durch CDU und Grüne beschlossen werden.

SSW und SPD sind entsetzt und haben unsere Rechte sehr verteidigt!

Kurios: unser Ex-Tourismusminister Buchholz (FDP) war ebenfalls Ausschussmitglied und inszenierte Opposition – dabei hat er uns in seiner gesamten Legislaturperiode nie als Einwohner und Bürger in seine Tourismusstrategie SH mit einbezogen, sondern eine rein investorengesteuerte Politik betrieben.

Am 10.3. 23 war MERRET bei der Innenministern Sabine Sütterlin-Waack eingeladen – wir werden berichten.