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Bürgermeister*in für Sylt – Wer wird’s? – Merret stellt die Kandidaten vor.
Am 16. März 2025 wählen die Einwohner der Gemeinde Sylt ihren neuen Bürgermeister oder ihre neue Bürgermeisterin. Das interessiert nicht nur die Inselbevölkerung. Der Westerländer Rathaussessel ist auch bundesweit ein Thema. Denn Sylt ist bekanntlich immer für eine Schlagzeile gut. Dabei türmen sich die ernstzunehmenden Probleme. Nach Jahren der Haushaltsperre liegt vieles brach. Zudem kämpft die Insel mit der Kreisverwaltung, die mit der Stilllegung nicht genehmigter Ferienwohnungen droht. Eine trostlose Innenstadt will modernisiert werden. Die Infrastruktur hat ebenfalls bessere Tage gesehen. Wer also wird „König“ oder „Königin von Sylt“, wie es die Bild-Zeitung gern auf den Punkt bringt? Sechs Personen stehen zur Wahl, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch sollen alle einem strengen Anforderungsprofil entsprechen, in der Ausschreibung heißt es: „Die Gemeinde Sylt hat aufgrund des bundesweiten Interesses an dem Geschehen auf der in Deutschland beliebten Nordseeinsel Sylt eine hohe Strahlkraft.“ Es wird nach einer Persönlichkeit mit „Ausstrahlung“ gesucht. Führungs-Knowhow ist wichtig. Erfahrungen im Bereich Tourismus sind notwendig. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse unerlässlich. Zwei Frauen und vier Männer sind davon überzeugt, in dieses Anforderungsprofil zu passen und haben sich beworben.
Doch wer sind diese Leute und was befähigt sie für diesen Job? „Merret reicht’s“ hat als einzige Interessengruppe auf der Insel alle zum ausführlichen Gespräch eingeladen und dabei die Kamera mitlaufen lassen. Jedes Interview war rund eine Stunde lang. Darin stellten sich die Kandidaten und Kandidatinnen den Fragen des Bürgernetzwerks und gaben auch Persönliches preis. Wer die Kandidaten kennenlernen möchte und noch unsicher in der Entscheidung ist, kann sich hier ausführlich informieren.
(Einer hat jedoch gekniffen. Melf Hansen, der Wirt aus dem „Irish Pup“ in Westerland wollte sich dann doch nicht von uns befragen lassen und hat kurzfristig abgesagt,.)
Macht euch ein Bild von unserer Zukunft in den nächsten sechs Jahren! Klickt den entsprechenden Youtube-Link zur Person an. Die Interviews starten nach dem Merret-Song.
Jali Schneider – Die Unkonventionelle
Viel Power, viele Ideen, aber wenig Erfahrung. Vorteil oder Nachteil?
Jens-Peter Meckel – Der Abgeklärte
Jurist, lebenserfahren und mit 71 der älteste. Spricht das eher für ihn – oder eher nicht?
Tina Haltermann – Die Insiderin
Durchblickerin, Netzwerkerin – und mit dem Verwaltungssystem verwachsen. Steckt sie selbst zu tief drin oder ist das gerade gut?
Markus Gieppner – Der Politiker
Gemeindevertreter, Kenner der Materie, Realist. Mit Visionen, aber ohne Illusionen. Schon zu abgeschliffen oder genau passend?
Nils Brinkmann – Der Heimkehrer
Medienwissenschaftler, in Gremien erfahren, Arbeitstier. Zu lange zu weit weg gewesen? Oder ist Distanz genau die Trumpfkarte?
𝗚𝗹𝘂𝗰𝗸 𝗚𝗹𝘂𝗰𝗸 𝘄𝗲𝗴 𝘄𝗮𝗿 𝗲𝘀 – List: ein Schwimmbad säuft ab
𝗪𝗶𝗲 𝗱𝗮𝘀 𝗟𝗶𝘀𝘁𝗲𝗿 𝗦𝗰𝗵𝘄𝗶𝗺𝗺𝗯𝗮𝗱 𝗮𝗯𝗴𝗲𝘀𝗼𝗳𝗳𝗲𝗻 𝗶𝘀𝘁 – 𝗲𝗶𝗻𝗲 𝗦𝗽𝘂𝗿𝗲𝗻𝘀𝘂𝗰𝗵𝗲
Ach ja. Schade. Wäre schön gewesen. Aber leider nein. Das Lister Schwimmbad kommt nicht. Obwohl es den Syltern versprochen worden war. Es sollte ein großzügiges Dankeschön sein für die Erlaubnis, in List ein riesiges Feriendorf mit Hunderten von Einheiten zu errichten. Von wem denn? Vom Bauträger Marc Weinstock und dem Bürgermeister höchstpersönlich? Ernsthaft? Das ist doch schon so lange her. Das war während einer Einwohnerversammlung am 15. September 2020 in List. Daran kann sich sowieso keiner mehr erinnern. Der offizielle Videomitschnitt der Gemeinde wurde längst gelöscht. Er wurde trotzdem für die Nachwelt gesichert. Falls es mal wichtig würde. So wie jetzt. Dennoch behaupten heute alle, die dem Dünenpark tatkräftig den Weg geebnet haben, Bauträger Weinstock hätte immer gesagt, mit seinen vier Millionen plus der zugesagten Förderung vom Bund ist die Sanierung ruckzuck erledigt. Aber wie das Leben so spielt… Es läuft nie wie geplant. Irgendwas ist ja immer. Am Ende war das Schwimmbad einfach nur ein Luftschloss ohne Wasser. Nicht mehr und nicht weniger. Ihr seid alle drauf reingefallen? Shit happens. Ihr wisst doch, wie das hier auf Sylt immer läuft. Nach altbekanntem Muster. Und zwar so:
Riesiges Sylter Bauprojekt, große Versprechungen, Geschenke, Werben um Vertrauen, fehlende Verträge, Ungereimtheiten, wieder Werben um Vertrauen, Kapitulation, Hände in Unschuld waschen, Schwamm drüber.
+++ 𝗦𝗰𝗵𝘄𝗶𝗺𝗺𝗯𝗮𝗱 𝗳𝗲𝗵𝗹𝘁𝗲 𝘀𝗰𝗵𝗼𝗻 𝟮𝟬𝟮𝟬 𝗶𝗻 𝗱𝗲𝗻 𝗕𝗮𝘂𝗽𝗹ä𝗻𝗲𝗻 +++
Aber von vorn: Manfred Koch war 2020 stellvertretender Bürgermeister von List, und in dieser Funktion stellte er in einer der ersten Sitzungen im neuen Jahr dem Gemeinderat die aktualisierten Pläne des Dünenpark-Bauträgers DSK-BIG vor. Das war eigentlich der Job von Bürgermeister Benck, aber der war im Urlaub. Zuerst fiel es den Anwesenden gar nicht auf, aber bei näherem Hinsehen fehlte zur allgemeinen Überraschung auf einem der neuen Pläne ausgerechnet das Schwimmbad. Schon damals. Es war nicht mehr eingezeichnet. Einfach verschwunden. Stattdessen waren dort Häuser geplant. Wie das? Das musste ein Fehler sein. Manfred Koch ließ ins Protokoll schreiben, dass die Schwimmhalle wie geplant auf jeden Fall erhalten bleiben muss.
Es war aber nicht die einzige Ungereimtheit und auch nicht die erste. Manfred Koch legte sein Amt nieder. Der Sylter Rundschau – Nachrichten für die Insel Sylt sagte er: „Der Bürgermeister und ich haben lange Zeit gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. In letzter Zeit haben wir das nicht mehr so gut hingekriegt.“ Spricht man ihn heute darauf an, so lacht er laut auf und verweist auf das „typische Sylt-System“, das Kritiker und Nicht-Mitschwimmer abstraft. Der Zeitung sagte Koch nach seinem Rücktritt: „Dies hatte auch Auswirkungen auf das Leben außerhalb der politischen Arbeit.“
Nun folgte eine Kette von Überraschungen. Als nächstes wurde bekannt, dass für das Hallenbad keine Betriebserlaubnis existiert. Die war gemeinsam mit der Marineversorgungsschule erloschen. Die neue Eigentümerin, DSK-BIG, hatte bei der Übernahme des Grundstücks keine neue beantragt. Das Schwimmbad wurde folglich offiziell geschlossen, das Wasser abgelassen, kurz darauf brach der Beckenboden an mehreren Stellen auf, kapitale Risse waren die Folge, die Pumpen gingen kaputt. Exitus.
Nicht so schlimm, ließ Bürgermeister Ronald Benck in der Sylter Rundschau verlauten. Fünf Millionen koste die Sanierung, der Bund habe 900.000 Euro Fördermittel zur Sanierung freigegeben und der Eigentümer beteilige sich mit vier Millionen. Also alles in Butter. Zwölf Monate werde die Sanierung in Anspruch nehmen. „Mindestens“, ließ Investor Marc Weinstock die Öffentlichkeit wissen. „Mit Mitteln von insgesamt knapp fünf Millionen Euro (können wir) die Schwimmhalle energetisch und technisch auf einen zeitgemäßen Stand bringen.“ Mit dieser Ankündigung zur Fertigstellung spätestens Ende 2021 endete nicht nur die offizielle Kommunikation, sondern auch das Märchen vom neuen Schwimmbad.
Denn das Projekt war da längst tot, gestorben vier Monate vorher in einer Bauausschusssitzung der Gemeinde List. Nachzulesen in der Niederschrift der 2. Sitzung 2020. Dort eröffnete Schwimmbadversprecher Weinstock den Gemeindevertretern, dass eine Sanierung „eventuell“ wirtschaftlich nicht umsetzbar sei und dass es trotz des Denkmalschutzes auf Antrag seiner Dünenparkfirma zu einem Abriss kommen könne. Ein Knaller.
„…eventuell wirtschaftlich nicht umsetzbar…“ Wer sich mit solchen Bauträger-Formulierungen auskennt, hätte hier schon Bescheid gewusst. Für Bürgermeister Benck kein Alarmsignal: „Die Entscheidung muss emotional und nicht kalkulatorisch getroffen werden.“
Was dann folgte, ist ein jahrelanges Verwirrspiel um die Lister Schwimmhalle, das offenbar nur einem einzigen Zweck diente: den Syltern weiterhin vorne eine leckere Schwimmbadwurst hinzuhalten, um hinten in Ruhe den Dünenpark fertig zu bauen. Wenn man sich die Mühe macht, alle Protokolle und Schriftstücke aus den letzten fünf Jahren zu lesen, die vielen Puzzleteile zusammenzusetzen und um die Berichterstattung in der Sylter Rundschau ergänzt, wenn man den Förderantrag liest, die Kommunikation zwischen Verwaltung, dem Bürgermeister und der DSK-BIG durchleuchtet, wenn man achtzig Seiten Papier durchgearbeitet hat, um herauszufinden, an welcher Stelle das Projekt denn nun abgestürzt und wer dafür verantwortlich ist, wird man immer wieder auf diese eine Bauausschusssitzung am 11. März 2020 zurückgeführt. Alles, was danach kam und bis heute vor sich hin brodelt, legt folgenden Schluss nahe:
+++ 𝗗𝗮𝘀 𝗟𝗶𝘀𝘁𝗲𝗿 𝗦𝗰𝗵𝘄𝗶𝗺𝗺𝗯𝗮𝗱 𝘄𝗮𝗿 𝗻𝘂𝗿 𝗲𝗶𝗻 𝘃𝗲𝗿𝗵𝗲𝗶ß𝘂𝗻𝗴𝘀𝘃𝗼𝗹𝗹𝗲𝘀 – 𝗹𝗲𝗲𝗿𝗲𝘀 -𝗩𝗲𝗿𝘀𝗽𝗿𝗲𝗰𝗵𝗲𝗻 +++
Schon im Förderantrag, den Bürgermeister Benck im November 2021 beim Bund mit einer entsprechenden Kostenkalkulation eingereicht hatte, war nicht mehr nur vom Schwimmbad, sondern auch von der angeschlossenen Mehrzweckhalle die Rede. Es ging nun nicht mehr nur um fünf Millionen, sondern auf einmal schlugen 7,3 Millionen Euro zu Buche. Eine Steigerung von 50%, was aber selbst in Gemeindevertretersitzungen absichtlich oder unabsichtlich nie offen kommuniziert wurde. Dort blieb Benck eisern bei „förderfähigen Gesamtkosten“ von rund fünf Millionen Euro. Das war zwar nicht falsch, aber es war eben nicht die ganze Wahrheit. Die Wahrheit war in der Spalte „Gesamtkosten des Projekts“ zu finden und sie lautete: 7,3 Millionen Kosten.
Im Antrag schwarz auf weiß nachzulesen ist außerdem, dass die Dünenpark GmbH von Marc Weinstock nun nicht mehr vier Millionen dazugeben wollte, sondern nur noch drei. Es gab also 2021 bereits eine Unterdeckung von 3,4 Millionen Euro, um das Schwimmbad und die Mehrzweckhalle zu sanieren. In einer Hauruck-Aktion peitschte Benck die Zusage für diese Eigenmittel durch die Gemeindevertretung und begründete das mit „Regularien“, um die Fördergelder in Höhe von 900.000 Euro überhaupt zugesagt zu bekommen. Fragt man heute Lister Gemeinderatsmitglieder, die damals dabei waren, erinnern sie sich an eine „Pistole auf der Brust“. Und den wenigsten ist bis heute klar, dass sie mit ihrer Zustimmung der Gemeinde 3,4 Millionen Euro Schulden aufbürden würden. Schulden bei Marc Weinstock, dem nämlich die Sportanlagen gehören, die nun auf einmal zur Hälfte mit Steuergeldern saniert werden sollten.
+++ 𝗙𝗼𝗿𝘁𝗮𝗻 𝗴𝗶𝗻𝗴 𝗺𝗮𝗻 ü𝗯𝗲𝗿 𝗶𝗻 𝗣𝗵𝗮𝘀𝗲 𝟯: „𝗩𝗲𝗿𝘀𝗰𝗵𝗹𝗲𝗽𝗽𝘂𝗻𝗴“. +++
Die Zusage für die 900.000 Euro zur Förderung vom Bund kam schnell. Dass der Bund, Deutschlands nördlichstes Schwimmbad mit knapp einer Million Euro unterstützt, war auch unserer damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Astrid Damerow eine große Pressemeldung wert („Ich freue mich über die Entscheidung“). Bei Glanz ist man ja immer gern dabei. Bei Elend nicht mehr erreichbar. 900.000 Euro. Das Geld hätte abgerufen werden können. Aber dafür müsste man natürlich anfangen zu bauen. Und dafür bräuchte man erstmal eine Baugenehmigung. Ein Bauantrag wurde aber nie eingereicht – weil gar keiner existiert? Den Baubeginn hatte die Dünenpark GmbH dem Bund jedenfalls für das vierte Quartal 2022 zugesichert. Da aber nichts passierte, gab es im Lister Kommunalparlament entsprechende Nachfragen. In den Protokollen liest sich das so: „Es wird nach dem Baubeginn einer möglichen neuen Schwimmhalle gefragt.“ Antwort Bürgermeister Benck: „Diese Frage kann aktuell nur durch die DSK-BIG beantwortet werden, da es sich bei den Sportflächen um ein Privatgelände handelt.“
Ja, dieses Privatgelände… Das ist natürlich brisant. Steuergelder auf Privateigentum einzuzahlen, das ist tricky. Der Plan war aber auch, das Schwimmbad nach Fertigstellung für einen Euro an die Gemeinde zu verkaufen oder für kleines Geld zu verpachten. Nur wie überführt man eigentlich Privateigentum in die öffentliche Hand? Oder umgekehrt. Was gilt es zu beachten? Da müsste es eigentlich Verträge geben. Oder zumindest Vertragsentwürfe. Aber nicht einmal die gibt es. „Habt doch mal Vertrauen!“, Ronald Benck hatte sich mittlerweile ein neues Mantra angeschafft. Ja, Vertrauen ist sehr gut. Aber, wie würde es denn mit der späteren Nutzung aussehen? Was zahlt die Gemeinde konkret? Ist die Höhe gedeckelt? Wer bezahlt das Personal? Nichts wurde geklärt. Nichts wurde festgezurrt. Nirgends findet sich etwas Handfestes. Nichts Schriftliches. Es gab immer wieder Nachfragen, das schon. Zeitungsredaktionen, Gemeindeverterinnen, auch „Merret reicht’s“ erkundigten sich. Weinstock und Benck fühlten sich dadurch „weit unter der Gürtellinie“ angegriffen. Misstrauen sei fehl am Platz. „Die Fakten sind allen bekannt“, sagte Benck. „Es werden Behauptungen aufgestellt, die völlig aus der Luft gegriffen sind.“ So vergingen die Jahre.
Zwischendrin änderte der Bürgermeister kurz mal sein Profilbild auf Facebook und gab sich damit als Sympathisant der neu gegründeten Bürgerinitiative „Pro List“ zu erkennen. Die Initiatorin von „Pro List“, Roswitha Ladwein, sorgte für kraftvolle Unterstützung des Bürgermeisters: „Wir brauchen den Dünenpark, und wir brauchen die Schwimmhalle, den Sportplatz, und wir brauchen die Kita! Es geht um die Zukunft von List.“ Ronald Benck fühlte sich bestätigt: „Danke für dieses tolle Engagement an alle Beteiligten dieser Gruppe“, schrieb Benck. „Es freut mich umso mehr, weil es hier in List einige wenige Mitbürger gibt, die mit aller Gewalt versuchen, dieses für List so wichtige Projekt zu torpedieren und schlecht zu reden. Schön, 𝗱𝗮𝘀𝘀 𝗲𝘀 𝗱𝗲𝗻 𝗟𝗶𝘀𝘁𝗲𝗿𝗻 𝗻𝘂𝗻 𝗿𝗲𝗶𝗰𝗵𝘁’𝘀.“
+++ 𝗗𝗮𝗻𝗻 𝗽𝗹ö𝘁𝘇𝗹𝗶𝗰𝗵: 𝗱𝗶𝗲 𝗞𝗼𝘀𝘁𝗲𝗻 𝘀𝗼𝗹𝗹𝗲𝗻 𝗻𝘂𝗻 𝗻𝗶𝗰𝗵𝘁 𝗺𝗲𝗵𝗿 𝗱𝗶𝗲 𝗟𝗶𝘀𝘁𝗲𝗿 𝘁𝗿𝗮𝗴𝗲𝗻, 𝘀𝗼𝗻𝗱𝗲𝗿𝗻 𝗱𝗶𝗲 𝗴𝗮𝗻𝘇𝗲 𝗜𝗻𝘀𝗲𝗹 +++
Zugegeben. Merret kann einem schon ganz schön auf die Nerven gehen. Aber wenn es „Merret reicht’s“ nicht gäbe, dann gäbe es auch diese Geschichte nicht. Oder man würde sie nicht glauben.
Als es nämlich nicht mehr zu übersehen war, dass das Feriendorf wuchs und wuchs, die Schwimmhalle jedoch mehr und mehr verfiel und sich die „Pro List“- Bürgerinitiative längst wieder aufgelöst hatte, änderte Ronald Benck auf einmal seine Strategie. Nun tat er so, als wäre doch sonnenklar, dass es viel zu teuer werden würde, das Lister Schwimmbad zu sanieren. Wo denkt ihr hin? Zehn Millionen würde das kosten. Bäm. Wie Ronald Benck auf einmal darauf kam? Er hatte die Kosten einfach mal geschätzt und verwies auf den russischen Angriffskrieg. Seitdem sei doch alles um 30% teurer geworden, oder nicht?
Was er verschwieg: seit dem Förderantrag war die Kalkulation nicht mehr angepasst worden. Es gibt überhaupt keine neue Kostenberechnung. Wozu auch? Man hatte ja sowieso ganz offensichtlich nicht vor, ein Schwimmbad zu sanieren. Die Fördermittel seien nun leider auch schon weg. „Diese hätten wir schon jetzt verbaut haben müssen, zudem war die Summe an Auflagen geknüpft. Unter anderem daran, dass die Sanierung bis Ende 2025 fertig ist und wir haben ja noch nicht mal angefangen“, so Benck in der Sylter Rundschau. Ist doch logisch.
Warum eigentlich nicht? Warum hat man nicht angefangen? Na, wegen des Denkmalschutzes, ließ dann wiederum die BIG-BAU verlauten. So eine Denkmalschutzbehörde prüft erfahrungsgemäß lange. Sehr lange. Prüft sie eigentlich immer noch? Niemand weiß es. Aber da ist da ja wenigstens noch der Beschluss der Gemeindevertretung zur Übernahme der 3,4 Millionen Defizit, den Benck damals durchgepeitscht hatte. Der steht ja. Damit könnte man zumindest noch arbeiten. Aber auch hier legte Ronald Benck den Rückwärtsgang ein: „Wo soll denn das Geld herkommen?“, fragte er in der Sylter Rundschau, denn List habe ja gar keins, „daher werde ich meiner Gemeindevertretung empfehlen, nicht für die Sanierung zu stimmen.“ Moment mal. Die Sanierung war doch beschlossen und abgestimmt. Für Benck nun nicht mehr.
Stattdessen reicht er das Projekt einfach weiter: „Wir können als Gemeinde List alleine die Schwimmhalle weder kaufen noch pachten. Wir müssen am Ende zu einer Lösung kommen, die von allen Sylter Gemeinden mitgetragen wird. Deshalb prüfen wir derzeit die Gründung eines Zweckverbands.“ Aha. Bloß weg mit der heißen Kartoffel. Raus aus der Verantwortung. Nun prüfen also alle Sylter Gemeinden tatsächlich, ob sie das alte Lister Schwimmbad mitfinanzieren. Inzwischen sind inselweit bereits Dutzende Kommunalpolitiker und zig Verwaltungsleute in dieses Projekt mit hineingezogen worden, es gab Sitzungen, Fragenkataloge wurden erarbeitet, viel Zeit und Mühe sind schon eingeflossen, enorme Ressourcen wurden verbraucht, viele Feierabende wurden Ronald Benck geopfert, um sich in die Materie einzulesen, Gespräche zu führen, Ideen zu entwickeln. Über den Daumen gepeilt, beschäftigen sich zusammen mit der Verwaltung ungefähr fünfzig Leute mit dem Thema. Vielleicht sollte man mal eine Kostenaufstellung der bisher bereits geleisteten Arbeitsstunden anfertigen und dem Steuerzahlerbund vorlegen.
Ein Schwimmbad in List? Welcher Gemeinde ist zuzumuten, so weit zu fahren. Von Hörnum aus? Nee. Da gabs dann schon mal eine Absage. Und dann musste man sich auch noch mit dieser komplizierten Konstruktion Dünenpark, Privateigentum, Gemeindenutzung beschäftigen, bei der in fünf Jahren nicht geklärt wurde, wie man das rechtssicher handhaben kann. Da baut man doch lieber ein ganz neues Schwimmbad in der Inselmitte. Irgendwann. Genau. Das macht viel mehr Sinn. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, dafür braucht man allerdings keine fünfzig beratschlagenden Leute. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.
Wozu also dieser enorme Aufwand? Um zu simulieren, dass das Lister Schwimmbad vielleicht doch noch zu retten ist? Um so zu tun, als hätte man sich dafür zerrissen, als gäbe es noch eine Chance?
List kann es nicht mehr werden. Und das liegt laut Aussage von Ronald Benck vor allem an einem ganz entscheidenden Detail: Seitdem man vor fünf Jahren das Wasser abgelassen habe, ist der Boden der alten Schwimmhalle aufgebrochen, hat tiefe Risse. „Die Kosten dafür könnte ich nicht mal abschätzen“, wird Benck in der Sylter Rundschau zitiert. Dass der Boden kaputt ist, wusste er aber 2020 schon. Damals hieß es: kein Problem.
Wie ungeniert und lässig der Lister Bürgermeister mit dem Hoffnungsprojekt Schwimmhalle umgeht, ist großes Kino. Man könnte es auch als Kunststück bezeichnen, wie sich Benck immer wieder elegant aus der Affäre zieht und gleichzeitig jede Verantwortung von sich weist. Aber vielleicht war das Ding auch für einen ehrenamtlichen Bürgermeister von vornherein viel zu groß. Die BIG-BAU spielt einfach in einer anderen Liga. Man darf Ronald Benck unterstellen, dass er das Beste wollte. Aber Wollen und Können sind nicht dasselbe. Auf Bundes- oder Landesebene würde man jetzt einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Woanders nimmt man seinen Hut.
Schwamm drüber. Die Welt dreht sich weiter. In List konzentriert man sich nun auf das nächste Thema, das andere „Geschenk“ des Dünenparks an die Gemeinde, den Kindergarten. Der sollte zum jetzigen Zeitpunkt zwar auch schon in den letzten Zügen der Fertigstellung liegen, aber leider nein. Zwei Jahre nach Erstbezug der Dauerwohnungen in den „Fünf Schwestern“ war hier Deadline. So stehts geschrieben. Dass das nichts mehr wird, ist auch schon klar. Bereits abgehakt. Irgendwas ist ja immer. Diesmal Schädlingsbefall. Der Kindergarten soll nun zum 1. März 2028 fertig werden, wenn auch die kleinsten Dünenpark-Kinder schon in der Schule sind. Zweifeln ist nicht erlaubt.
Foto Schwimmhalle: Martin Tschepe
Merret´s Wünsche zum Neuen Jahr
Einen guten Rutsch ins neue Syltjahr –
Mit den besten (Wunsch-)Nachrichten für 2025
Wir freuen uns auf das neue frische Jahr und wünschen allen Insulanern und unseren Gästen viele positive Nachrichten. Rückblicke gab es schon genug. Deshalb will Merret heute den Ausblick wagen. Merret feiert im Sommer ihren fünften Geburtstag. Ein schöner Anlass, um einen Blick auf die Schlagzeilen zu werfen, die wir uns für 2025 wünschen. Man muss nur fest daran glauben, dann werden sie auch wahr.
(Achtung Satire)
Andreas Kammholz baut Alten Gasthof in List wieder auf
Exakt zwei Jahre ist es her, dass der Morsumer Andreas Kammholz den Alten Gasthof in List illegal abreißen ließ, nun wird das historische Gebäude detailgetreu wieder aufgebaut. Der Bauunternehmer hatte ursprünglich vor, dort ein Apartmenthaus mit Ferienwohnungen zu errichten. Doch die Proteste rissen nicht ab, die Widerstände waren zu groß. In der Folge kämpfte er mit Auftragsmangel und Ansehensverlust. Bis heute gilt Kammholz auf der Insel als „Persona non grata“. Das Grundstück in List war zwei Jahre lang eine Brache. Um endlich einen Schlussstrich ziehen zu können, entschied sich der Sylter pünktlich zum Jahrestag des illegalen Abrisses, der Gemeinde List ihren Gasthof zurückzugeben. Ende 2026 soll das Gebäude stehen.
Einhundert junge Familien ziehen nach Sylt – Bürgervorsteher überreicht große Willkommenspakete
Nach Jahrzehnten der Stagnation wächst die Inselbevölkerung endlich wieder. Bürgervorsteher Dobrzinski begrüßte die ersten hundert jungen Familien, die sich nun auf Deutschlands schönster Ferieninsel eine neue Existenz aufbauen. Bei einem Bürgerfest vor dem Rathaus mit Freibier und Bratwurst überreichte er an alle Neuankömmlinge Willkommenspakete gefüllt mit original Sylter Spezialitäten. „Unsere bundesweit gestartete Kampagne „Nachbarn gesucht“ war ein voller Erfolg, denn ohne junge Menschen hat Sylt keine Zukunft. Deshalb setzen wir die Aktion fort.“
Die Gemeindevertretung hatte gemeinsam mit der Sylt Marketing Gesellschaft und den Sylter Unternehmern eine viel beachtete bundesweite Anwerbeaktion gestartet, um der Schieflage in der insularen Demografie nachhaltig entgegenzuwirken und junge Familien auf die Insel zu locken. Vor allem aus dem Handwerk, aus Lehrberufen, Landwirtschaft und Dienstleistung kommen die neuen Insulaner, die mit Hilfe von Patenschaften des Unternehmervereins den Sprung nach Sylt gewagt haben.
„Unser Dank gilt vor allem der BIG-BAU und ihrem Chef Marc Weinstock“, sagte Dobrzinski. Weinstock hatte die unverkäuflichen Kliffhäuser im Dünenpark zur Festvermietung freigegeben, nachdem sich der Verkauf nicht mehr ankurbeln ließ, obwohl große Rabatte gewährt worden waren. Zuletzt hatte Weinstock potenziellen Käufern noch angeboten, die Grunderwerbsteuer zu übernehmen. Erfolglos.
Immokönig König reißt Apartmenthaus ab und pflanzt Bäume
„Sylt braucht mehr Natur und weniger Betten!“ Immobilienunternehmer Ole König aus Westerland hat das Jahr 2025 zum Wendepunkt erklärt. Er stiftete 46 Kiefern, die nun auf einem Grundstück angepflanzt werden sollen, auf dem zurzeit noch ein Apartmenthaus aus den 1970er Jahren steht. König hatte im Dezember bereits die Dr.-Ross-Straße aufgeforstet. Es sei schöner, „der Natur beim Wachsen zuzusehen als der Insel beim Abnippeln“, gab er zu Protokoll. Versiegelung sei kein Konzept. Weitere Grundstücke sollen folgen.
Landrat erinnert Sylter Politik an ihre eigenen Beschlüsse – Beherbergungskonzept wird endlich umgesetzt
„Sylt verbietet Ferienwohnungen“, das war das kurze und knappe Ergebnis eines einstimmigen Beschlusses der Sylter Gemeindevertretung im März 2023. Doch der Beschluss wurde bis heute nicht umgesetzt. Erst nachdem Landrat Florian Lorenzen öffentlich von „Wählertäuschung“ sprach und die Mehrheitsparteien – vor allem CDU und SWG – eindrücklich warnte, „den letzten Rest von Glaubwürdigkeit nicht auch noch zu verspielen“, lenkten die Kommunalpolitiker ein. Erik Kennel von der Sylter Wählergemeinschaft entschuldigte sich sogar bei den Bürgern und Bürgerinnen der Gemeinde mit einem Leserbrief in der Sylter Rundschau. Wörtlich schrieb er: „In unserem Wahlprogramm haben wir uns eindeutig zum Schutz des Dauerwohnraums verpflichtet. Dafür wurden wir gewählt. Dafür stehen wir auch. Das werden wir umsetzen.“
Kennel hatte erst kürzlich für Empörung gesorgt und einen Shitstorm in den Sozialen Medien ausgelöst, weil er als Vorsitzender im Bauausschuss zusammen mit CDU und SSW, einen Grundsatzbeschluss herbeiführte, der dem Bau von neuen Ferienwohnungen Tür und Tor öffnete. Eine Begründung für sein Abstimmungsverhalten lieferte er nicht. Dann folgte die Entschuldigung.
Landrat Lorenzen wies in seiner Stellungnahme noch einmal darauf hin, dass „Politik nach Gutsherrenart“ dem demokratischen Prinzip zuwiderlaufe, auf das sich unsere Gesellschaft gründe und mahnte: „Verkauft die Leute nicht für dumm.“ Dass die Demokratie in einer Krise stecke, zeige die neueste Umfrage der Körberstiftung. Nicht einmal mehr jeder zehnte Bundesbürger vertraue noch Politikern und nur noch knapp ein Drittel glaube, dass Kommunalverwaltungen sauber arbeiten.
„Das Beherbergungskonzept wird umgesetzt. Ohne Wenn und Aber“, erklärte jetzt CDU-Fraktionsvorsitzender Oliver Ewald. „Das hatten wir gemeinsam alle beschlossen.“ Auch Insulaner, SSW, SWG, FDP, setzten ihre Unterschrift unter ein entsprechendes Papier. Grüne und SPD gaben ihrer Freude darüber deutlichen Ausdruck: „Wir freuen uns auf einen Neuanfang und setzen viel Vertrauen in eine neue Form der Zusammenarbeit.“ kommentierte Roland Klockenhoff.
Verbrenner gestoppt – Sylt wird E-Auto-Insel
Die Bahn hatte es vorgemacht und den Transport von Verbrennern auf die Insel drastisch verteuert, während E-Autos nur noch zwanzig Euro für die Überfahrt zahlen. Nun zieht die Inselverwaltung nach. E-Autos parken künftig kostenlos auf allen Parkplätzen inklusive der Flächen an den Strandübergängen. Zuletzt hatte eine Verkehrszählung der Insel ein katastrophales Zeugnis ausgestellt, so dass die Landesregierung einschreiten musste, um die Insel vor dem Kollaps zu retten. „Es gibt nichts Exklusiveres als Ruhe, Natur und saubere Luft“, erklärte Manfred Uekermann, Vorsitzender des Landschaftszweckverbands. Wer sein Verbrennerauto künftig auf dem Festland stehen lässt, fährt mit den neuen elektrisch betriebenen Inselruftaxis für fünfzig Cent pro Kilometer.
Endlich auch auf Sylt – Bürgerrat nimmt seine Arbeit auf
In vielen Gemeinden bundesweit arbeitet er bereits erfolgreich und mit guten Ergebnissen. Auch die Bundesregierung setzt dieses Gremium häufig ein, um auf gesellschaftspolitische Fragen gute Antworten zu bekommen: der Bürgerrat. Nun nimmt auch auf Sylt ein Bürgerrat seine Arbeit auf. Die 25 Mitglieder wurden vorher ausgelost und stammen aus allen Inselorten. Sie nehmen sich der Frage an: „Wie muss eine politische Struktur aussehen, die Sylt wieder ins Gleichgewicht bringt? Wirtschaftlich, sozial, ökologisch und touristisch.“ Mit einem belastbaren Ergebnis rechnen die Organisatoren noch in 2025.
Manche Träume werden wahr. Wir träumen von lauter guten Nachrichten. In diesem Sinne wünscht Merret euch allen ein glückliches, erfolgreiches und kraftvolles neues Jahr. Mit Mut und Zuversicht lässt sich viel verändern, das haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Man muss sich nur auf den Weg machen. Unerschütterlicher Optimismus und die Hoffnung auf ein lebenswertes Sylt treiben Merret reicht’s seit 5 Jahren an – und werden es weiter tun.
Happy New Year, Eure Merret
Sylter Bauausschuss öffnet Ferienwohnungsbau Tür und Tor
Ohne Begründung, ohne Diskussion, ohne mit der Wimper zu zucken:
Warum nur? Warum? Diese Frage blieb im Raum hängen, als sich der Bauausschuss der Gemeinde Sylt mit großer Mehrheit gegen mehr Dauerwohnraum und für neue Ferienwohnungen entschied.
Die Zuschauerreihen im Rathaus (9. Dez. 24) waren gut gefüllt, als es darum ging, mit dem Bebauungsplan 28 eine zukunftsweisende Richtungsentscheidung zu fällen. Angesichts der anhaltenden Wohnraumkrise war man gespannt, wie die Diskussion im Bauausschuss ablaufen würde. Zwei Modelle standen zur Wahl. In Variante A sollte Dauerwohnraum künftig in nennenswerter Größe pro Gebäude festgeschrieben werden. Variante B gab Ferienwohnungen den Vorzug.
Man kann es so kurz machen, wie die Veranstaltung dann tatsächlich war: Ohne Diskussion, ohne Für und Wider, ohne Begründung, ohne ein Wort der Erklärung stimmten die Politiker innerhalb von wenigen Minuten mit überwältigender Mehrheit für Variante B. Mehr noch: Künftig sollen auch Keller und Spitzböden ganz offiziell bewohnbar sein. Pro Gebäude wird eine Dauerwohnung festgeschrieben, egal wie klein.
Es mühten sich zwar noch Joachim Schweitzer von der SPD und Karl-Heinz Rüther für die Grünen, die bedrückenden Folgen dieser Entscheidung zu beschreiben und im Kreis der gewählten Bürgervertreter wenigstens eine Diskussion anzuschieben. Aber es regte sich keine Hand, nicht einmal der Ausschussvorsitzende Erik Kennel (SWG) ließ erkennen, was ihn bewogen hat, für Variante B zu stimmen. Niemand war bereit, sich zu äußern oder gar an einer Variante C zu arbeiten. Und so blieben die Gründe für diese Abstimmung im Dunkeln. Das Publikum sah den gewählten Volksvertretern beim Schweigen zu. Und über allem schwebte die große Frage: Warum? Warum nur? Die Entscheidung stand ganz offensichtlich lange vorher fest und wurde hinter verschlossenen Türen getroffen.

Kommentar Sylter Rundschau
Nicht lange her, da hatte die gesamte Gemeindevertretung noch ohne Gegenstimme für das Beherbergungskonzept gestimmt, das faktische Aus für den weiteren Bau neuer Ferienwohnungen. Nun hat der Bauausschuss Fakten geschaffen, die das Gegenteil bedeuten. Und man reibt sich verwundert die Augen und fragt sich: Warum?
Birte Wieda vom Bürgernetzwerk „Merret reicht’s“ ist ernüchtert: „Für kurze Zeit ging eine Tür für eine bessere Zukunft unserer Insel Sylt im Tourismus auf, in der Tragfähigkeit und Gleichgewicht eine Rolle spielen könnten. Diese Tür wurde gestern vorerst wieder zugeschlagen. Der Knall klingt nach….“
Gegen das Festschreiben von größeren Dauerwohnungen und für den unbegrenzten Ausbau von Ferienwohnungen inkl. Keller und Spitzböden pro Gebäude haben gestimmt:
Erik Kennel (SWG)
Ines Dreisow (CDU)
Kay Abeling (CDU)
Günther Frank (CDU)
Andreas Dobrzinski (CDU)
Kilian Westphal (FDP)
Stephan Froeschel (SSW)
Bent Thomsen (SWG)
Für das Festschreiben von größeren Flächen für Dauerwohnraum und gegen den unbegrenzten Ausbau von Fewos haben gestimmt:
Karl-Heinz Rüther (bürgerl. Mitglied, Grüne)
Joachim Schweitzer (SPD)
Sylter Bauausschuss berät den „B-Plan 28“ und der setzt Maßstäbe für die Zukunft!
Montag Vorentscheidung zur Lösung der Dauerwohnraum- und Fewo-Krise?
Die Erwartungen sind groß, die Hoffnungen enorm. Gelingt der Politik am Montag ein Durchbruch in der Dauerwohnraum- und -Krise? Die Gemeindevertreter stehen durch die Kontrollen der Kreisverwaltung erheblich unter Druck, möglichst schnell Voraussetzungen zu schaffen, unter denen die Nutzung von Ferienobjekte künftig auf einer rechtlich sicheren Grundlage betrieben werden kann. Zugleich ist dies ein entscheidender Moment, in dem auf Sylt das Gleichgewicht von Wirtschaftsraum zu Lebensraum definiert werden müsste und der Schutz von Dauerwohnraum in der Bauplanung der Gemeinde für die Zukunft abgesichert werden sollte. Dazu soll nun eine Vorentscheidung in Sachen „Muster-Bebauungsplan“ fallen. Dieser könnte dann in seinen wesentlichen Bestandteilen als Blaupause für die gesamte Insel dienen. Grob vereinfacht gilt: einer für alle! Die Sache ist dringend, denn seit durch das Beherbergungskonzept schon 2020 das ganze Ausmass der Sylter Funktionskrise in der Gesellschaft und Wirtschaft festgestellt wurde, ist viel in Bewegung gekommen. So ist mittlerweile bekannt, dass allein in Wenningstedt rund 85 Prozent des Wohnungsbestands bauplanungsrechtlich nicht als Ferienwohnungen betrieben werden dürften, ein überraschendes und schockierendes Ergebnis bei der Überprüfung der aktuellen B-Planaussagen im gesamten Gemeindegebiet, und es machen sich bereits deutliche Wertverluste bemerkbar. Die Sylter Immobilienbranche ist in Schieflage geraten. Preise sinken und gleichzeitig kehren nachweislich erste Wohnungen auf den Vermietungsmarkt für Dauerwohnraum zurück
Man braucht nicht viel Fantasie, um sich den Druck vorzustellen, unter dem die jahrelangen politischen Mehrheiten stehen, die die planungsrechtlichen Versäumnisse und das Ausmaß der Fehlnutzungen zu verantworten haben.
Geradezu existenziell ist es jetzt also, die Probleme des Dauerwohnraummangels und illegalen Ferienvermietung schnell zu lösen, und man versucht es mit Hilfe eines beispielhaften neuen Bebauungsplans.
Ein solcher kann die gesetzlichen Vorschriften zwar nicht außer Kraft setzen und muss auch immer die gebietstypische Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte berücksichtigen (im Kurzentrum gelten andere Voraussetzungen als in der Marinesiedlung, wo noch verhältnismäßig viele Sylter leben), aber er kann die Rahmenbedingungen bestimmen, wie wir auf Sylt künftig leben und wohnen wollen. Vor allem kann er über die Nutzung des Objekts entscheiden, ob Dauerwohnen, Zweitwohnen oder Ferienwohnen. Erklärtes Ziel bisher: diese drei Wohnformen (Nutzungsarten) sollen zukünftig genau definiert werden und in einem gesunden Verhältnis stehen, um das Überleben einer funktionierenden sozialen Struktur auf der Insel zu sichern. Damit will man aktiv der Abwanderung und der damit verbundenen Verödung ganzer Straßenzüge entgegenzuwirken.
Kann dies mit den Inhalten des „B-Plan 28“nun gelingen?
Drei Festsetzungen sind vom Bauausschuss zu treffen:
- Gebietscharakter: welche Wohnform soll hier vorherrschend sein?
- Dauerwohnraum: welchen Anteil nimmt Dauerwohnraum ein?
- Gebäude: wie viele Einheiten pro Haus sind möglich?
In Bezug auf Dauerwohnraum liegen zwei Entscheidungsvarianten auf dem Tisch: entweder sollen künftig 50% der gesamten kompletten Fläche aller Geschosse eines Gebäudes Dauerwohnen zur Verfügung stehen oder pro Gebäude eine Dauerwohnung festgesetzt werden. Sollte die Entscheidung zugunsten „eine Dauerwohnung pro Gebäude“ fallen, hätte dies aus Merrets Sicht den Nachteil, dass dadurch künftig (wie in der Vergangenheit schon geschehen) auch winzige Dauerwohnungen entstehen könnten – neben großzügig bemaßten Ferienwohnungen. Dann befände sich zwar in jedem Haus eine Dauerwohnung, diese wäre aber unter Umständen miniklein. Aus diesem Grund halten wir Merrets die 50% Regelung für die beste Lösung. Sollte sich der Bauausschuss für Variante B entscheiden, wäre zwingend geboten, wenigstens eine Mindestgröße festzulegen, damit auch Familien eine Chance auf Dauerwohnen erhalten.
Ein weiterer Knackpunkt ist der geplante Wegfall der „Geschossflächenzahl“ (GFZ), womit gemeint ist, dass künftig auch Keller und Spitzböden zur Wohnfläche hinzugezählt werden dürfen, sofern eine Deckenhöhe von 2,40 m gewährleistet ist. Sollte die GFZ künftig wegfallen, besteht die Gefahr, dass künftig deutlich mehr Kellergeschosse zu Dauerwohnungen umgebaut werden, um im EG und OG Ferienwohnungen einzurichten. Willkommen in den 1960er Jahren! Insulaner im Dunkeln, Feriengäste im Licht. Diese Konsequenzen muss man mitdenken bei dieser wichtigen Entscheidung.
Für ältere Gebäude ist dieses Thema zurzeit nicht relevant, denn die Deckenhöhe in den Kellern erreicht in der Regel keine 2,40 Meter. Wenn aber die GFZ wegfiele, wird es für Hausbesitzer und vor allem Investoren attraktiv, das Gebäude ganz abzureißen und neu zu bauen, um die Flächen optimal ausnutzen zu können. Deshalb sollte man sich unbedingt merken: der Wegfall der Geschossflächenzahl bedeutet konkret mehr Wohnraum pro Quadratmeter, mehr Menschen pro Haus, mehr Autos pro Grundstück, noch mehr Verkehr auf den Inselstraßen. Das sieht Merret kritisch.
Denn das hätte zur Folge, dass noch mehr alte Sylter Häuser verschwinden, noch mehr Baustellen, noch mehr Unruhe, weitere Spekulation entstehen. Obendrauf käme die schlechtere Klimabilanz. Allerdings würde weniger Grund und Boden versiegelt.
Wer mehr erfahren und vielleicht auch einen Blick auf die Vorlage und Begründung zum B Plan werfen möchte, kann hier einen Blick in die Mappe des Gemeinderates werfen:
Infos zum Tagesordnungspunkt: TOP-Mappe von TOP 16 der 18. Sitzung des Bau- und Planungsausschusses (Wahlperiode 2023 bis 2028) vom 09.12.2024 2
In diesem Zusammenhang noch eine Bitte an Politik und Verwaltung: In der Beschlussvorlage ist z.T. von „Wohnfunktion“ die Rede, die Begriffe sind nicht klar genug definiert. Es steht deshalb zu befürchten, dass hiermit auch „Zweitwohnen“ gemeint sein könnte. Es wäre hilfreich, hier ganz klar zu benennen, was damit gemeint ist.
Die Bitte an alle Bürger und Bürgerinnen: zahlreich der Sitzung am Montag beizuwohnen und sich für einen der entscheidenden Momente unser aller Zukunft zu interessieren.
Herzlichen Dank,
Eure Merret
„Ich mache keine krummen Dinger“
Die Hecken abgeholzt, die Kinderspielwiese umgegraben, die Fenster vernagelt, die Wohnhäuser mit Bauzäunen umschlossen, die Mieter mit falschen und viel zu hohen Nebenkostenabrechnungen schikaniert und mit ständigen Besuchen zum Auszug gedrängt. Es gab keine Reinigung mehr, der Strom fiel aus. Vor fünfzehn Jahren vertrieb die SL Immobilien GmbH aus Bremen 22 Sylter Familien erfolgreich aus ihren Mietwohnungen in den gelben Mehrfamilienhäusern am unteren Ende der Bomhoffstraße in Westerland.
Unmenschlicher Umgang“ mit Sylter Familien
„Das war der härteste Umgang, den ich je mit Mietern in ganz Schleswig-Holstein erlebt habe“, erklärte Stephan Sombrutzki vom Kieler Mieterverein, an den sich die Familien schutzsuchend gewandt hatten. Als „unmenschlich“ brandmarkte der damalige Vorsitzende des Bauausschusses Holger Flessau (CDU) das Vorgehen des Bremer Investors, der dort eine neue Wohnanlage errichten wollte. „Das ist einfach unmöglich“, beklagte Bürgermeisterin Petra Reiber und wollte die Häuser sogar beschlagnahmen lassen.
In den Gemeinderatssitzungen ging es über Monate hoch her. Der Berg kreißte – gebar aber am Ende nur eine Maus. Man einigte sich auf ein paar Zeilen Resolution: „Wir solidarisieren uns mit den Betroffenen und verurteilen den Menschen verachtenden Umgang der Bremer SL Immobilien GmbH.“ Mehr war offenbar nicht drin. 22 Sylter Familien verloren ihr Zuhause. Angeblich machtlos die Politik. „Baurechtlich war das nicht zu verhindern“, ließ sich Holger Flessau zitieren. Rein rechtlich sahen sich die Gemeindevertreter außerstande, die Mieter zu schützen.
Dauerwohnungen gingen in die Ferienvermietung
In der entscheidenden Sitzung waren sie alle anwesend, die heute immer noch die Geschicke der Gemeinde lenken: Günther Frank, Kay Abeling, Eberhard Eberle, Gerd Nielsen, Carsten Kerkamm und auch Manfred Uekermann, mittlerweile Landtagsabgeordneter. Anfang 2010 waren die Wohnungen dann schließlich erfolgreich entmietet. Die zwischen den Häusern gelegene Grünfläche, wo bisher Kinder spielten, wurde einer „sinnvollen“ Nutzung zugeführt. Hier entstanden Parkplätze für Feriengäste.
Nach der Fertigstellung gingen nahezu alle 22 Einheiten in die Ferienvermietung. Von Anfang an ein unsauberer Deal. Denn die gesamte Anlage durfte laut Baugenehmigung ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Der Bebauungsplan ließ daran überhaupt keinen Zweifel. Doch niemand rührte eine Hand, niemand kontrollierte, niemand griff ins Getriebe, und so geriet diese unschöne Episode insularer Wohnraumvernichtung wie so viele andere in Vergessenheit.
Käuferin zahlte 1 Mio für eine illegale Fewo
Auch Frau Brinkmann (Name geändert) wusste davon nichts, als ihr im Spätsommer 2022 eine Zeitungsannonce der Sylter Firma RT Immobilien auffiel, in der eine Zwei-Zimmer-Erdgeschosswohnung in der Bomhoffstraße 17 für 950.000 Euro mit „eingeführter Ferienvermietung“ angeboten wurde. Die Geschäftsfrau aus Niedersachsen war auf der Suche nach einer Kapitalanlage mit guter Rendite. Sie zögerte. Denn für eine 65m²-Wohnung mit allen Nebenkosten rund 1,1 Millionen Euro zu bezahlen, erschien ihr selbst für Sylter Verhältnisse überteuert, immerhin sollte der Quadratmeter umgerechnet 17.000 Euro kosten. Der Verkäufer, ein Sylter Unternehmer, der im Immobiliengeschäft einen guten Ruf genießt, zeigte sich gesprächsbereit und ließ sich auf Verhandlungen ein. Frau Brinkmann unterschrieb schließlich den Kaufvertrag und zahlte knapp eine Million für zwei Zimmer und eine kleine Terrasse. Darin enthalten war auch ein saftiges Honorar für den testierenden Notar. Auch kein Unbekannter, ganz im Gegenteil. Dieser Sylter Notar setzte seine Unterschrift unter einen Kaufvertrag, in dem sich Frau Brinkmann ausdrücklich zusichern ließ, dass es sich bei der Eigentumswohnung um eine „Ferienwohnung“ mit entsprechender Genehmigung handelte (Merret liegt der Kaufvertrag mit allen Unterschriften vor). Denn auch Frau Brinkmann hatte mittlerweile registriert, dass man sich bei diesem heiklen Thema besser absicherte. Notar, Verkäufer und Makler gaben Brief und Siegel.
Notar, Verkäufer und Makler gaben Brief und Siegel
Dann das böse Erwachen, als Frau Brinkmann anschließend die Baugenehmigung einsah: Dauerwohnung! Und der Schock wurde noch größer, als ihr klar wurde, dass sie sich im Kaufvertrag sogar verpflichtet hatte, die Vermietagentur weiterzubeschäftigen. Das gab ihr den Rest. „Ich war vertraglich gezwungen, illegal an Feriengäste zu vermieten. Aber ich mache keine krummen Dinger. Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gemacht.“ Sofort fordert sie vom Verkäufer die Rückabwicklung des Kaufvertrags ein. Sie fühlt sich betrogen und getäuscht „von diesen angeblich so renommierten Insulanern, die hier alles miteinander verquicken“, Ämter, Posten, Finanzierungen, Vermittlungen und Testate. „Sie haben mich alle zusammen aufs Kreuz gelegt.“ Doch von einer Rückabwicklung will bis heute niemand etwas wissen. Frau Brinkmann hat Fristen gesetzt. Die sind längst verstrichen, Monate sind vergangen, Frau Brinkmann verlor irgendwann die Geduld. Im Juli dieses Jahres (2024) reichte sie über eine Westerländer Kanzlei Klage ein. „Das könnte mich jetzt nochmal richtig Geld kosten, aber das ist es mir wert. Und mir ist klar, ich nehme es hier mit den Spitzen der Sylter Gesellschaft auf.“
Geld zurück? Die Gerichte müssen entscheiden
Zufall oder nicht, auf einmal gibt es für die Bomhoffstraße und das Gebiet drumherum einen neuen Bebauungsplan. Plötzlich ist Ferienwohnen dort erlaubt. Und wie Frau Brinkmann feststellen durfte, hat jemand für ihre neue Eigentumswohnung einen Umnutzungsantrag gestellt. Das war nicht sie selbst. Sie wusste gar nichts davon. Sie wusste auch nicht, dass das überhaupt möglich ist, dass Nicht-Eigentümer für eine Wohnung, die ihnen nicht gehört, eine Nutzungsänderung beantragen können. Und sie hat es auch gar nicht gewollt.
Nun verlangt sie erst recht ihr Geld zurück. „Das geht doch hier nicht mit rechten Dingen zu.“
Ausgang offen. Das Verfahren läuft. Verstrickt sind in diesen Fall die ganz Großen dieser Insel. Keine Auswärtigen. Diese wohlbekannten Leute haben sich gleich mehrfach persönlich bereichert und davon profitiert, dass vor fünfzehn Jahren 22 Sylter Familien in der Bomhoffstraße ihr (bezahlbares) Zuhause verloren. Durch ungerechtfertigte Mieteinnahmen, überteuerte Preise und Provisionen, die sich auf falsche Fakten stützten. Kein Einzelfall. Auf Merret-Nachfrage bestätigen Sylter Anwälte, dass immer mehr Schadenersatzforderungen eingehen, weil Immobilien überall auf der Insel mit solchen „Mängeln behaftet“ und deshalb zu teuer verkauft worden seien.
Merret fordert sauberen Umgang mit den Fakten
Aus Merrets Sicht ist es höchste Zeit, endlich aufzuräumen. Es ist Zeit, sich ehrlich zu machen. Politiker dürfen nicht gleichzeitig die Rahmensetzung der Sylter Baupolitik bestimmen und sich anschließend über geltendes Recht hinwegsetzen, um auch noch persönlich wirtschaftlich davon zu profitieren. Schwer erträglich wird es dann, wenn dieselben Politiker auch noch öffentlich fordern, die Behörden mögen über diese Rechtsverstöße hinwegsehen, weil sonst die Sylter Wirtschaft zusammenbrechen würde.
Diese Praktiken beschädigen das Image der Insel viel nachhaltiger als eine Horde Punks auf einer Festwiese. Es ist allerhöchste Zeit, dass Sylt endlich supergute Bebauungspläne bekommt, die die Bevölkerung schützen und den Zuzug von Familien und Normalverdienern ermöglichen, weil sie genügend Dauerwohnungen vorschreiben. Hoffentlich erfüllt der „B-Plan 28“, der als Blaupause für den künftigen Umgang mit Immobiliennutzung dienen soll, diese hohen Erwartungen.
Alle Namen der beteiligten Personen sind Merret bekannt.
(Fotos: Moritz Unruh und Merret reicht’s)
„Wenn Merret mal die Sylter fragt…“
Wie die Insulaner über den Bauboom, die Nutzungskontrollen und den Overtourismus wirklich denken.
𝗗𝗶𝗲 𝗪𝗮𝗿𝗻𝘂𝗻𝗴 𝗸𝗮𝗺 𝗽𝗲𝗿 𝗲𝗺𝗮𝗶𝗹 𝘂𝗻𝗱 𝘁𝗿𝘂𝗴 𝗱𝗶𝗲 Ü𝗯𝗲𝗿𝘀𝗰𝗵𝗿𝗶𝗳𝘁 „𝗢𝗳𝗳𝗲𝗻𝗲𝗿 𝗕𝗿𝗶𝗲𝗳“.
„𝙃𝙖𝙗𝙚𝙣 𝙎𝙞𝙚 𝙨𝙘𝙝𝙤𝙣 𝙢𝙖𝙡 𝘽𝙧𝙤𝙩 𝙜𝙚𝙠𝙖𝙪𝙛𝙩 – 𝙤𝙝𝙣𝙚 𝙂𝙚𝙡𝙙?“
Wieder viel Hungertuch, Blaulicht und Angstmacherei in Teil 2 der Kampagne der Sylter Tourismuswirtschaft und des Verein Sylter Unternehmer. Wieder prophezeien die Geschäftsleute ein Weltuntergangsszenario für unsere Heimatinsel, in der sich künftig niemand mehr „sein Brot“ leisten könne, sollten die Baunutzungskontrollen und die Kritik am übersteigerten Tourismus fortgesetzt werden. „Blindwütig und lebensfremd“ sei das. Und der „Sylt Tourismus Verband“ setzt sogar noch eins drauf und sieht in „Merret reicht’s“ gar die Schuldigen für den künftigen Niedergang der Insel und behauptet, Merret sei bereit, den Tourismus bis auf 70% nach unten zu fahren, „mit allen absehbaren Folgen für die Wirtschaft und die hiesige Bevölkerung.“
Diese „Offenen Briefe“ ohne Adressaten und ohne Unterschrift zeigen einmal mehr, wie schwierig es ist, auf Sylt offen über Overtourismus und seine Folgen zu diskutieren. Die Reaktion ist immer gleich. Möglichst nichts ändern. Andersdenkende diffamieren und als „Ideologen“ abstempeln. Und alles soll bitte immer so weitergehen.
Dabei ist doch nicht zu übersehen: Entspannt Besorgungen zu machen oder spazieren zu gehen, während die Straßen überfüllt sind mit Tausenden Menschen, die jede Lücke – selbst in den Häusern – besetzen – das ist eine Zumutung für Einheimische, nicht nur auf Sylt, sondern an allen Urlaubsorten der Welt. Möchte aber keiner hören. Schon gar nicht die Urlauber oder auch nicht jene, die ihr Geld mit ihnen verdienen.
Und trotzdem: In diesem Sommer ist die Diskussion um die Auswirkungen des übersteigerten Massentourismus vor allem in Europa mit einer Wucht zurückgekehrt, die überrascht. Die Suche nach den Ursachen und Verantwortlichen gestaltet sich schwierig.
Klar ist nur eins: Die Reihen der Sylter Wirtschaft sind keinesfalls so fest geschlossen wie immer behauptet wird. Die Diskussion muss nun endlich auch innerhalb der Verbände, Parteien und Institutionen geführt werden. Da kommt man nicht drumrum.
Wir haben namhafte und gebürtige Insulaner (und Zweitwohnende) um eine Stellungnahme gebeten. Hier ist das Ergebnis. Diese Reihe wird fortgesetzt. Denn es gibt viel zu besprechen.
𝙎𝙩𝙚𝙥𝙝𝙖𝙣 𝘽𝙪𝙨𝙘𝙝, 𝘼𝙜𝙚𝙣𝙩𝙪𝙧 „𝙎𝙮𝙡𝙩 𝙏𝙧𝙖𝙫𝙚𝙡“,Hörnum
Allein im Umkreis von 100 Metern meiner Wohnung wurden in den letzten 18 Monaten drei ältere Einfamilienhäuser abgerissen und durch insgesamt 15 neue Ferienwohnungen ersetzt. Häuser in denen mal Insulaner gewohnt haben. Ich denke viele auf Sylt können von ähnlichen Beobachtungen berichten. Als Unternehmer auf Sylt sollte man ein Interesse daran haben, dass Mitarbeiter vernünftig wohnen können und dass junge Familien sich ansiedeln können, die letztlich auch für das Funktionieren der Schulen und Ehrenämter nötig sind. Dafür ist bezahlbarer Wohnraum nötig, den die KLM oder die Gewoba allein gar nicht schaffen können. Nur weil die Fehlnutzungen so lange Zeit geduldet bzw. nicht kontrolliert wurden, kann es doch nicht einfach Recht werden.
𝘾𝙝𝙧𝙞𝙨𝙩𝙞𝙖𝙣 𝙉𝙞𝙚𝙡𝙨𝙚𝙣, 𝙚𝙝𝙚𝙢. 𝙑𝙤𝙧𝙨𝙩𝙖𝙣𝙙 𝙑𝙚𝙧𝙚𝙞𝙣 𝙎𝙮𝙡𝙩𝙚𝙧 𝙐𝙣𝙩𝙚𝙧𝙣𝙚𝙝𝙢𝙚𝙧, 𝘼𝙪𝙩𝙤𝙝𝙖𝙪𝙨 𝙉𝙞𝙚𝙡𝙨𝙚𝙣:
Ich halte die populistischen Äußerungen des Vorstands der Sylter Unternehmer für nicht hilfreich. Ohne Zweifel haben Sylter Gemeinden in der Vergangenheit bei der Erstellung von B-Plänen falsche oder keine Entscheidungen getroffen. Und Bauherren haben sich nicht an Vorschriften gehalten. Und wenn nun der Kreis seine Pflicht als Aufsichtsorgan erfüllt und ungesetzliche Zustände sanktioniert so ist das für die Betroffenen schmerzhaft, kann aber nicht dazu führen, dass Unrecht zu Recht verbogen wird. Die Gemeinde Sylt hat nach meiner Meinung mit dem Entwurf eines neuen B-Plan 28 den richtigen Weg beschritten für einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen und sollte dabei unterstützt werden.
𝙋𝙚𝙩𝙚𝙧 𝙈𝙖𝙩𝙩𝙝𝙞𝙚𝙨𝙨𝙚𝙣, 𝙂𝙧ü𝙣𝙙𝙚𝙧 𝙪𝙣𝙙 𝙀𝙝𝙧𝙚𝙣𝙫𝙤𝙧𝙨𝙞𝙩𝙯𝙚𝙣𝙙𝙚𝙧 𝙙𝙚𝙨 𝙑𝙚𝙧𝙚𝙞𝙣𝙨 𝙎𝙮𝙡𝙩𝙚𝙧 𝙐𝙣𝙩𝙚𝙧𝙣𝙚𝙝𝙢𝙚𝙧:
Man löst keine Probleme, indem man die Realität einfach ausblendet und sich dem Handeln verweigert. Es reicht nicht, per „Offener Brief“ ein Schreckensszenario an die Wand zu malen und darauf zu hoffen, dass sich eine übergeordnete Macht der Probleme annimmt und sie mit einem Federstrich aus der Welt schafft. Das wird nicht geschehen. Es ist wirklichkeitsfremd zu erwarten, dass eine rechtsstaatliche Behörde nun einfach ihre Tätigkeit einstellt und die Kontrollen stoppt. Hier wird zudem der Eindruck erweckt, der defizitäre Haushalt, das desolate Erscheinungsbild der Westerländer Innenstadt, die wirtschaftlichen Probleme der Sylter Betriebe und alle Schwachstellen im Gemeinwesen seien Folgen der als ungerecht empfundenen Baurechtskotrollen. Man muss diese nur stoppen, und die Welt ist wieder in Ordnung. Ein Trugschluss. Statt Kraft und Geld in die Bekämpfung einer Bürgerinitiative zu investieren, würde es der Insel mehr helfen, sich der eigentlichen Herausforderung zu stellen, nämlich die Insel und ihren (rückläufigen) Tourismus rechtssicher und zukunftsfähig zu machen.
𝙂𝙧𝙞𝙩𝙟𝙚 𝙎𝙩ö𝙫𝙚𝙧, 𝘾𝘿𝙐, 𝙊𝙧𝙩𝙨𝙗𝙚𝙞𝙧𝙖𝙩𝙨𝙫𝙤𝙧𝙨𝙞𝙩𝙯𝙚𝙣𝙙𝙚 𝙆𝙚𝙞𝙩𝙪𝙢/𝙈𝙪𝙣𝙠𝙢𝙖𝙧𝙨𝙘𝙝:
Sylt ist ein Sehnsuchtsort für seine Einwohner, seine Zweitwohnungsbesitzer und seine Gäste. In unserer friesischen Hymne heißt es nicht ohne Grund „ja leeng dach altert tö di hen“. Allerdings kann es auf begrenztem Raum zu Interessenkonflikten kommen, was wir aktuell erleben. Aber diese nun zu einem Zweifrontenkrieg zwischen einer aktiven Tourismusgegnerschaft und kapitalistischen Wachstumsinteressen ausarten zu lassen, wird der insularen Eigenart nicht gerecht.
Wie wäre es mit mehr Miteinander und Toleranz? Stattdessen wurde vor ein paar Jahren auf Kreisebene, initiiert durch Bündis90/Grüne, der Bürokratiewolf geweckt, um den illegalen Ferienwohnungen Einhalt zu gebieten. Aber werden nur die illegalen Nutzungen von Ferienwohnungen kontrolliert? Im Ergebnis handelt es sich um eine allgemeine Nutzungskontrolle. Sie betrifft die nicht genehmigte Wohnnutzung eines Jugendzimmers im Keller ebenso wie die illegale Vermietung eines Zweitwohnsitzes als Ferienwohnung.
Wie können wir damit umgehen? Am Transformationsprozess aktiv mitgestalten, lautet die Devise. Der Sylt Tourismus Verband hat daher recht, es geht um ganzheitliche Lösungswege, die den Menschen im Blick haben. Die Landesbauordnung und auf Bundesebene die Baunutzungsverordnung stellen aktuell ein sehr unflexibles Instrumentarium dar, um in der kommunalen Bauleitplanung etwas für die Insel passgenaues auf die Beine zu stellen. Wir müssen daher gesamtinsular in einen konstruktiven Austausch über unsere Bedarfe treten und uns dann bei Land und Bund für diese einsetzen.
Sorge bereitet mir etwas ganz anderes. Unser Problem ist eine fortschreitende Anonymisierung auf der Insel. Fast ganzjährig lehrstehende Zweitwohnungen und anonyme Ferienwohnungen mit Schlüsselkästen und einer Putzkolonne zur Endreinigung. Diese sind in den meisten Fällen genehmigt und auch weiterhin genehmigungsfähig. Tatsächlich werden die allgemeinen Nutzungskontrollen diesen Prozess der Anonymisierung sogar noch vorantreiben. Ich wünsche mir eine lebendige Insel mit Syltern, die hier wohnen und Gästen, die gerne zu uns kommen. Wäre es nicht schön, wenn wir gute Gastgeber bleiben können? Daran müssen wir zukünftig arbeiten.
𝙈𝙖𝙧𝙩𝙝𝙖 𝘽𝙚𝙧𝙚𝙣𝙙𝙚𝙨 𝙞𝙣 𝘼𝙗𝙨𝙩𝙞𝙢𝙢𝙪𝙣𝙜 𝙢𝙞𝙩 𝙙𝙚𝙢 𝙎𝙚𝙣𝙞𝙤𝙧𝙚𝙣𝙗𝙚𝙞𝙧𝙖𝙩 𝙙𝙚𝙧 Gemeinde Sylt:
Nicht „Merret reicht’s“, sondern die Unternehmer und ihre Mitstreiter erweisen sich als kurzsichtig, die das Ganze nicht im Blick haben, wenn sie sich vehement gegen Baurechtskontrollen wehren.
Das Fundament der Sylter Wirtschaft beruht auf Menschen, die hier leben und arbeiten und denen bezahlbarer Wohnraum auf der Insel zustehen sollte. Stattdessen wenden sich Scharen von jungen Familien endgültig dem Festland zu (forciert nicht zuletzt durch die prekäre Unzuverlässigkeit der Bahnverbindung).
Die Forderungen von Merret reichts als „blindwütig“ und „lebensfremd“ abzutun, verrät eine unterschwellige Aggression. Die Entwicklung auf der Insel Mallorca oder etwa in Venedig zeigen, wie der Tourismus aus dem Ruder gerät, wenn er nicht rechtzeitig gebremst wird. (Im Übrigen überzeugt der ausführliche Faktencheck von Merret reichts.)
Nun die Wünsche des Seniorenbeirats, wenn sie Sylt verändern könnten:
Wir wollen raus aus der Anonymität. Nach der teilweisen Umwandlung von Ferienwohnungen in Dauerwohnungen hätten wir endlich normale Nachbarschaft!
Die Unternehmer sollten bezahlbaren Wohnraum für die Mitarbeiter bereitstellen. Die Politiker sollten die Zweitwohnungssteuer erhöhen.
Wir wünschen uns, dass ein Leben auf Sylt im Alter möglich ist (von Seniorenwohnungen – barrierefrei und mit ambulanter Versorgung – bis zu Pflegeplätzen).
Wir vermissen im Vergleich zum früheren Sylt fehlende Nachbarschaft und Wertschätzung der Senioren, die vieles ehrenamtlich stemmen. Wir bedauern den Wegzug junger Leute sowie den massiven Anstieg des Verkehrsaufkommens. Uns befremdet der massive Anstieg an Großvermietern/ Maklerfirmen. Last, but not least registrieren wir eine wachsende Ignoranz gegenüber den Aktivitäten der Insulaner in der lokalen Presse und stattdessen eine Berichterstattung für Touristen.
𝙈𝙖𝙧𝙩𝙞𝙣 𝙎𝙘𝙝𝙡𝙪𝙢𝙨, 𝘼𝙧𝙘𝙝𝙞𝙩𝙚𝙠𝙩 𝙪𝙣𝙙 𝙆𝙪𝙣𝙨𝙩𝙢𝙖𝙡𝙚𝙧, 𝙒𝙚𝙨𝙩𝙚𝙧𝙡𝙖𝙣𝙙:
Mehr als 50 Jahre habe ich als selbstständiger Architekt auf Sylt alle Wünsche zur Änderung der Politik begleitet, aber leider außer der Atlantisverhinderung nur ganz selten kleine Erfolge erzielt. Stolz darauf bin ich, dass unser Architekturbüro kaum eine Zweitwohnung gebaut hat, sondern neben vielen wichtigen Gebäuden mehrere hundert Sozialwohnungen für die einheimische Bevölkerung.
Für die aktuelle Situation habe ich folgende Vorschläge:
1. Die bereits verkauften Flächen für Zweitwohnungen können nicht zurückgefordert werden. Der überraschende einvernehmliche Beschluss der Sylter Politiker zum sofortigen Stop weiterer Zweitwohnungen muss konsequent umgesetzt werden. Leider werden einige weitere Inselgemeinden z.Zt. nicht mitmachen. Siehe Kontraentwicklung List!
Die Abweichungen von der genehmigten Gebäudenutzung in den gültigen Bebauungsplänen, die selten behördlich geprüft wurden, müssen konsequent abgeändert werden.
2. Um wieder ausreichende, bezahlbare Bauflächen für Inselbewohner anbieten zu können, brauchen wir ein Umdenken! Sonst gibt es kein funktionierendes Gemeindeleben mehr. Die aktuellen Bodenpreise auf Sylt kann kein normaler Bürger mehr bezahlen! Entgegen allen jetzigen Einschränkungen müssen bisher nicht bebaubare Randflächen der Gemeinden untersucht werden, ob sie nicht doch, ohne Beeinträchtigung von Natur- oder Landschaftsschutz, für die gemeindliche Wohnbebauung nutzbar gemacht werden können. Dann würde die Bevölkerung wieder wachsen. Auch durch Vermietung an Feriengäste wäre der Lebensunterhalt wieder zu verdienen. Sylter Unternehmer könnten bisher vernachlässigte Schaffung von Mitarbeiterwohnungen planen, die gleichfalls die Pendlerzahl stark reduziert.
3. Neue Anstrengungen zum kompletten Zusammenschluss aller Sylter Gemeinden müssen dringend unternommen werden! Nur gemeinsam ist eine wirklich neue Sylter Gemeinschaft zu erreichen, die alle sozialen Einrichtungen vorhält, genügend Kindergartenplätze hat, die freiwillige Feuerwehr stärkt und die Sportvereine, sowie die Voraussetzung für eine Geburtenstation schafft u.v.a.m.
Ein gesamtinsulares politisches Gremium, verstärkt durch einen neu zu wählenden wirklich befähigten Bürgermeister, wäre meine Idealvorstellung für ein zukünftiges Sylt.
4. Weitere Bemühungen zur Abschaffung gesetzlicher Regeln wären dringend nötig:
Aufhebung der begrenzten Nutzungszeit von 15 Jahren für gemeindliche Sozialwohnungen, Aufhebung der Kostenbeteiligung der Anwohner an Straßenerneuerungen, Überlegungen, wie die z.T. sehr wohlhabenden Zweitwohnungsbesitzer in die notwendige Beseitigung der Fehlentwicklungen einbezogen werden können. Es gäbe viel zu tun!
𝙀𝙙𝙙𝙖 𝙍𝙖𝙨𝙥é, 𝙂𝙤𝙡𝙙𝙨𝙘𝙝𝙢𝙞𝙚𝙙𝙞𝙣, 𝙈𝙤𝙧𝙨𝙪𝙢:
Wir haben ignoriert, wie wichtig das Gemeinwohl für das soziale Gefüge auf Sylt ist. Die Interessen der hier Lebenden und die derjenigen, die kommen und gehen, sind gleichwertig. Das Beste für alle ist, wenn die Sylter ihrer traditionellen Rolle als Gastgeber treu bleiben und selbst planen, in welcher Atmosphäre sie leben möchten. Inzwischen bestimmen aber die Investoren. Sie machen die Pläne. Bauen wurde zum Fetisch, Sylter Häuser zum Spekulationsobjekt. Aber nicht zum Wohnen für die hier Arbeitenden und Lebenden. Davor hat schon Clara Enss vor 40 Jahren gewarnt. Alle Initiativen, Dauerwohnraum zu sichern und zu schaffen, lehnte die Mehrheitsfraktion der Gemeinde ab. Das ist eine Unterlassungssünde, denn das Bundesbaugesetz gibt Gemeinwohlorientierung der Bauplanung vor. Die Schuldigen schreien jetzt am lautesten und verbreiten Falschinformationen.
𝙅ü𝙧𝙜𝙚𝙣 𝙄𝙣𝙜𝙬𝙚𝙧𝙨𝙚𝙣, 𝘽ä𝙘𝙠𝙚𝙧𝙢𝙚𝙞𝙨𝙩𝙚𝙧, 𝙚𝙝𝙚𝙢. 𝙑𝙤𝙧𝙨𝙩𝙖𝙣𝙙 𝙎𝙮𝙡𝙩𝙚𝙧 𝙐𝙣𝙩𝙚𝙧𝙣𝙚𝙝𝙢𝙚𝙧, 𝙈𝙤𝙧𝙨𝙪𝙢:
Jeder, der auf Sylt vermietet, darf nicht blauäugig sein. Und wer denkt, dass es ihn nicht betrifft, weil er ja schon über 30 Jahre vermietet, sollte sich nochmal schlau machen. Wenn in der Baugenehmigung steht, es handelt sich um ein „Einfamilienhaus“, das in drei Wohnungen umgebaut ist, dann sind in dem Haus zwei Wohnungen zu viel. Egal ob Dauerwohnen oder Ferienvermietung. Und Keller und Spitzboden müssen einen Fluchtweg haben, sonst ist es nicht erlaubt. Das hat jeder gehört. Zudem muss es der Bebauungsplan vorgeben, was in einigen der Gebiete der Gemeinde nicht der Fall ist. Da ist natürlich schon seit über einem Jahr die Politik gefordert, die da viel zu wenig unternimmt. Wenningstedt ist da schon am weitesten. Neue B-Pläne sind sehr zeitaufwendig, und was da geschrieben steht, ist ja Gesetz! Den Brief der Sylter Unternehmer sehe ich kritisch, er ist zu negativ geschrieben. Bangemachen ist kein Weg. Dennoch sollte jeder wissen, dass die Kontrollen zur Fehlnutzung auch oft die Einheimischen betreffen, weil manche Dauerwohnungen einfach nicht erlaubt sind. Handeln und nicht nur darüber reden, das sollte die Maxime sein. Jeder Betrieb muß auch selber für Mitarbeiter Wohnungen sorgen. Auch mit Hilfe der Gewoba und anderen. Wir hatten in unserer kleinen Bäckerei 10 Zimmer und Wohnungen zur Verfügung, die auch im Winter oft leer standen und alle 2 Jahre renoviert werden mußten. Aber im Laufe des Jahres brauchten wir diese immer.
Ein Wort zu den „Punks“. Da wünsche ich mir härtere und strengere Maßnahmen, denn das ufert auf den „Festwiesen“ völlig aus. Es werden jedes Jahr mehr, die hier kostenlos auf Sylt Urlaub machen. Und dann muss die Innenstadt dringend mehr Pep bekommen. Selbst die Vitrinen der Sylter Unternehmer sind schon wieder 25 Jahre alt. Herr Douven beschäftigt sich überwiegend nur mit seiner Promenade. Er meint irgendwie, dass sie immer noch die schönste Europas ist. Es müssen neue, attraktive Möglichkeiten für die Gäste geschaffen werden. Das Schlimmste sind für mich aber unsere Straßen! Es wurde auch da viel zu lange wie bei der Bundesbahn gespart und gewartet. Eine Katastrophe und kein Aushängeschild für die schönste Deutsche Urlaubsinsel. Ich könnte die Liste noch weiter fortsetzen. Es fällt einem ja immer noch was ein.
𝙐𝙡𝙡𝙖 𝙆𝙪𝙗𝙖𝙡𝙚, 𝙚𝙝𝙚𝙢. 𝙆𝙖𝙪𝙛𝙢. 𝘼𝙣𝙜𝙚𝙨𝙩𝙚𝙡𝙡𝙩𝙚, 𝙋𝙧𝙞𝙫𝙖𝙩𝙫𝙚𝙧𝙢𝙞𝙚𝙩𝙚𝙧𝙞𝙣, 𝙒𝙚𝙨𝙩𝙚𝙧𝙡𝙖𝙣𝙙:
Hätte ich die Macht etwas zu ändern….würde ich sofort einen Baustopp fordern, denn es wird gebaut wie nie zuvor- immer größer, immer enger und nicht mehr im „Inselstil“.
Wenn ich an Sylt von früher denke…es gab eine wunderbare Nachbarschaft-bewohnte Häuser, es gab eine Post, es gab einen Schuster usw. alles abgeschafft und die Infrastruktur vernichtet. Und wir, die immer auf der Insel leben, werden vergessen.
Es heißt immer, die Sylter verkaufen ja an Fremde – aber warum ?? Die Eltern sind verstorben – 3 Kinder können sich bei den unnatürlich hohen Preisen nicht gegenseitig auszahlen – also geht das Familienhaus an Fremde. Hat man keine Kinder nur Schwestern oder Nichten, Neffen usw. müssen die die wahnsinnige Erbschaftssteuer aufbringen – also muss an Fremde verkauft werden.
Würde über Nacht ein Wunder geschehen….. würde ich es merken, denn es gibt wieder einen Parkplatz !
Wenn ich etwas politisch ändern könnte, würde ich die Häuser und Grundstücke wieder nach dem Einheitswert und nicht nach dem Verkehrswert berechnen, dann würden noch einige Erben die Familienhäuser retten können.
Ich wünsche mir für mein Westerland eine tüchtige, führende Kraft – Bürgermeister oder Bürgermeisterin – die auch hart durchgreifen kann, dann bekommen wir vielleicht wieder Ordnung, saubere Straßen und Blumenkübel und keine überfüllten Abfallkörbe usw.
𝙈𝙖𝙧𝙜𝙤𝙩 𝘽ö𝙝𝙢, 𝘽Ü𝙉𝘿𝙉𝙄𝙎 90/𝘿𝙄𝙀 𝙂𝙍Ü𝙉𝙀𝙉 , 𝙆𝙧𝙚𝙞𝙨𝙩𝙖𝙜 𝙉𝙤𝙧𝙙𝙛𝙧𝙞𝙚𝙨𝙡𝙖𝙣𝙙 / 𝙂𝙑 𝙞𝙣 𝙇𝙞𝙨𝙩 𝙖𝙪𝙛 𝙎𝙮𝙡𝙩:
Gemeinsam ist das Zauberwort. Es geht nur so: dass sich alle Beteiligten und Betroffene an einen Tisch setzen mit dem einzigen Ziel, eine gemeinsame, konstruktive Lösung zu finden. Solange, bis weißer Rauch aufsteigt. Politik, Interessensgemeinschaften, Kreisverwaltung, Bürger:innen. Es ist einfach, sich durch wie auch immer geartete Schuldzuweisungen selber zu entlasten. Da uns das aber nicht weiterbringt, geht es jetzt um etwas anderes. Es geht um die Antwort auf die Frage, welches attraktive Bild von Sylt im Jahr 2030/35 haben wir gemeinsam? Worauf können wir uns verständigen? Wo sind unsere Möglichkeiten? Welche Herausforderungen werden wir wie überwinden?
Alle Interessen auf den Tisch, Wirkungszusammenhänge erkennen, von der Zukunft her denken und gemeinsam kreativ Strategien entwickeln für hier und heute. Ich glaube daran, dass das möglich ist. Mit Unterstützung durch eine hochprofessionelle und erfahrene Moderation von außerhalb, die uns konsequent durch den gesamten Prozess führt.
𝙍𝙖𝙜𝙣𝙖 𝙎𝙘𝙝𝙖𝙘𝙝𝙩, 𝙒𝙚𝙣𝙣𝙞𝙣𝙜𝙨𝙩𝙚𝙙𝙩:
Ja, Herr Hellner, diese komplizierte wirtschaftliche Situation, in der sich Sylt im Augenblick befindet, betrifft uns alle. Aber zu behaupten, dass Merret daran Schuld hat, ist eine erstaunliche Einstellung seitens des Sylter Tourismusverbandes und ehrlich gesagt, eine Frechheit, denn Merret ist es zu verdanken, dass eine Gruppe Sylter Frauen diesem Raubbau an unserer Insel ein Stopp entgegen hielten, denn ein Weiterso musste aufhören. Diese Masse Menschen, die auf unsere Insel kam, füllten die Geldbörsen einer bestimmten Klientel ständig, aber damit ging auch ein großer Teil Sylter Ressourcen durch Fremdbebauung verloren, und ein Weiterso hätte ihrer Einmaligkeit den Garaus bedeutet. Nun stellt man fest, da es nicht mehr so gut läuft (Corona und kriegerische Auseinandersetzungen, die auch Europa betreffen) verändern auch unser Leben hier auf Sylt, und die Probleme, die man nicht sehen wollte oder auch verdrängte, kommen zu Tage und machen uns allen das Leben nicht leichter. Aber jemanden explizit dafür verantwortlich zu machen, ist ziemlich dumm und arrogant! Es ist doch nicht zu verstehen, dass eine Insel mit 5 Gemeinden es nicht fertig bringt, zum Wohle dieses Sandknustes und ihrer Menschen, die hier seit Generationen leben, Entscheidungen zu treffen sich zu einigen, denn dafür und nur dafür haben wir sie durch freie Wahlen bestimmt, und darauf sollten sie sich konzentrieren.
𝘿𝙧. 𝙍𝙚𝙞𝙣𝙝𝙤𝙡𝙙 𝙎𝙘𝙝𝙤𝙥𝙥𝙢𝙖𝙣𝙣, 𝙕𝙬𝙚𝙞𝙩𝙬𝙤𝙝𝙣𝙪𝙣𝙜𝙨𝙗𝙚𝙨𝙞𝙩𝙯𝙚𝙧, 𝙒𝙚𝙣𝙣𝙞𝙣𝙜𝙨𝙩𝙚𝙙𝙩:
Mallorca, Teneriffa, Venedig, die einheimischen Bevölkerungen melden sich zu Wort, begehren auf, errichten Stoppschilder. „Genug ist genug“, ist zu hören, ertönt es vielerorts sogar energisch auf den Straßen. Die Initiative „Merret reicht’s“ macht behutsam aufmerksam, setzt das Thema. Und der Reflex existenzbedrohter Unternehmer – Überraschung – erfolgt zuverlässig, schnell, unmittelbar und laut. Sind zukunftsorientierte Unternehmer nicht innovativ unterwegs? Sind sie der Zeit denn nicht erfindungsreich und kreativ immer einen Schritt voraus, halten nicht fest am Gestern und am „Weiter so“, sondern suchen neue Wege? Solche Unternehmer (m/w/d) wünscht man sich für #sylt.
„B-Plan 28“ – Wie Sylt die illegale Ferienvermietung in den Griff bekommen will
Mit neuen Bebauungsplänen soll die Quadratur des Kreises gelingen: Mehr Wohnungen für Insulaner, ohne die Ferienvermietung ernsthaft zu gefährden.
Ein bisschen Rätselraten ist immer noch dabei. 11.000 Ferienwohnungen soll es auf Sylt geben und davon sollen rund ein Drittel „nicht genehmigungsfähig“ sein, so drückt es Kreisbaudirektor Jansen aus. Die Sylter Unternehmer befürchten sogar 70% illegalem Bestand. Auf gut Deutsch: Sollte die Kreisbaubehörde mehr als die Hälfte der Sylter Feriendomizile stilllegen, würde das beispiellose finanzielle Verluste für die Insel nach sich ziehen. Aber wie organisiert man das Ferienwohnen künftig rechtssicher? Welche Einheiten sind zu retten? Und wie?
Blaupause „B-Plan 28“
Der offizielle Weg, der nun beschritten wird, führt über die Bebauungspläne. In einem sogenannten „B-Plan“ legt die Gemeinde die Nutzungsmöglichkeit der Grundstücke rahmensetzend fest. So ein Plan gilt in der Regel für ein abgegrenztes Gebiet innerhalb einer Stadt oder einer Gemeinde, das mehrere Straßenzüge umfasst. Am B-Plan kann man erkennen, ob sich Grundstücke in einem „reinen Wohngebiet“, in einem „allgemeinen Wohngebiet“ oder etwa in einem Gewerbegebiet befinden, mit wie vielen Stockwerken oder in welcher Höhe ein Haus errichtet werden darf, ob Ferienwohnen dort erlaubt ist oder nicht. Leider haben die Gemeinde Sylt und ihre Kommunalpolitiker in Jahrzehnten Vieles schleifen lassen, Verstöße gegen die geltende Gesetzeslage wurden geduldet, Mahnungen der Kreisbaubehörde über Jahre ignoriert. Für manche Gebiete existiert nicht einmal ein Bebauungsplan, was sich nun bitter rächt. So sind mehr und mehr Ferienwohnungen auch dort entstanden, wo sie eigentlich nicht erlaubt sind. In reinen Wohngebieten zum Beispiel. Selbst in Mehrparteienhäusern, die Sylter Unternehmen ausschließlich für ihre Angestellten errichtet haben, zogen auf einmal Feriengäste ein. Aus Einfamilienhäusern wurden Personalhäuser mit Mini-Apartments. Was auf Sylt wohnungstechnisch los ist, muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.
Künftig 50%-Regel?
Die Missstände sollen nun behoben werden, indem für jedes Sylter Siedlungsgebiet die Bebauungspläne überarbeitet wird, also festlegt, was dort künftig erlaubt ist und was nicht. Der erste B-Plan unter dieser neuen Maßgabe ist nun fertig geworden und liegt im Entwurf vor. Er könnte eine Blaupause für die zukünftigen grundsätzlichen Rahmensetzungen sein. Deshalb ist er so interessant. Der „B-Plan 28“ beschreibt das Gebiet im Halbkreis nördlich des Schulzentrums im Norden von Westerland. Bislang als „allgemeines Wohngebiet“ ausgewiesen, wo Ferienwohnen nur „ausnahmsweise“ erlaubt ist. Hier leben auch noch verhältnismäßig viele Insulaner. Ungefähr die Hälfte der Häuser sind dauerhaft bewohnt. In dieser Siedlung waren die Kontrolleure bereits unterwegs und haben viele Eigentümer angeschrieben und auch Objekte stillgelegt. Im neuen „B-Plan 28“ soll eine 50%-Regel gelten, die es den Eigentümern ermöglicht, zur Finanzierung ihrer Immobilie immer noch eine Ferienwohnung zu unterhalten. Er schreibt aber auch für jedes Haus Dauerwohnen fest. Mindestens 50% der Geschossfläche muss für Dauerwohnen zur Verfügung stehen.
Sicherung des Dauerwohnbestands
Viele müssten dann allerdings umdenken und rückbauen. Aber die 50%-Regel eröffnet allen Betroffenen immerhin die Chance, rückwirkend für einen Teil ihrer Ferienwohnungen eine Nutzungsänderung zu beantragen und sie rückwirkend legalisieren zu lassen, was bei der derzeitigen Gesetzeslage eigentlich ausgeschlossen ist. Der „B-Plan 28“ bringt wieder etwas ins Gleichgewicht. Natürlich nicht ohne Verluste, aber eben nicht mit grundsätzlichen Verboten der Ferienvermietung und mit Gewinn für die Bevölkerung und für alle, deren Finanzierung an einer Ferienwohnung hängt. Ein Stück Gerechtigkeit, weil die Regelung für alle Grundstücke gleichermaßen gilt.
Zusätzlich finden sich im „B-Plan 28“ noch andere interessante Regeln. Keller dürfen nicht größer sein, als das Haus und nicht mehrere Stockwerke haben, Abgrabungen zu Kellerfenstern sind verboten, Keller und Spitzboden können nur Wohnflächen sein, wenn eigene Notausgänge nach draußen existieren. Zweitwohnen soll künftig nicht mehr erlaubt sein. Und noch vieles mehr.
Zerschlägt „B-Plan 28“ den Gordischen Knoten?
Der „B-Plan 28“ wird gerade heiß diskutiert. Entschieden ist noch nichts. Unübersehbar jedoch die Maßgabe, dass der ständigen Umwandlung von Dauerwohnraum in Ferienwohnraum endgültig ein Riegel vorgeschoben wird. „Es besteht das dringende Erfordernis, Dauerwohnen im Bebauungsplan zu sichern“, schreiben die B-Plan-Autoren. Das ist deutlich. Darüber ist man sich politisch offenbar einig. Über den Weg dahin noch nicht, denn er wird den Vermietmarkt für Ferienwohnen und Dauerwohnen auf Sylt von Grund auf verändern.
Bebauungsplan 28 Gemeinde Sylt zum Download
Begründung zur 5. Änderung des Bebauungsplan Nr. 28
Die aktuelle, populistische Infokampagne der Sylter Unternehmer schürt Panik
Merret macht den Faktencheck:
Im Briefkasten ist was los. Der Infoflyer der Sylter Wirtschaftsverbände wurde inselweit verschickt und ist mit Schockbotschaften gespickt.
(Hier als pdf zu lesen: Flyer-Nutzungskontrollen-Final)
„Jeder Vermieter ist bedroht“, „Jeder zweite Betrieb ist gefährdet“, „Jeder Sylter hat Nachteile“… Das alles garniert mit Ausrufezeichen, optischen Warnschildern und Brachialkommunikation. Ein Jahr nach Beginn der Nutzungskontrollen durch die Kreisbaubehörde gehen die Sylter Wirtschaftsverbände in die Offensive und starten auch eine Kampagne im Internet.
Verantwortlich zeichnen der Verein Sylter Unternehmer, der Hotel- und Gaststättenverband Sylt und der Sylt Tourismus Verband. Sie fahren schwere Geschütze auf.
„Es droht die Entstehung von Rolladensiedlungen durch Leerstand“, „Verlust von Infrastruktur, zum Beispiel Krankenhaus, Kindergarten, Feuerwehr, ÖPNV“, „Soziale Spaltung durch Unfrieden, zum Beispiel durch Denunziation“, „Arbeitsplätze sind bedroht“…
Der Infoflyer vermittelt den Eindruck: Sylt ist auf direktem Weg in den Ruin.
Nicht als Panikmacher, sondern als „Impulsgeber“ will man sich verstanden wissen. Doch kein Impuls, sondern eine deutliche Drohung steht im Zentrum der Aktion des Vereins Sylter Unternehmer: Sollte die Kreisverwaltung weiterhin aktuelles Recht auf der Insel durchsetzen, drohen „Verlust von Eigentum, Wertverlust von Immobilien, Verlust der Altersvorsorge, zukünftige Finanzierungsprobleme durch Neubewertung der Immobilien.“
Diese und andere steile Thesen stellt der Flyer in den Raum – ganz ohne Belege. Im Internet wird es dann ausführlicher, aber nicht unbedingt richtiger (https://www.sylterunternehmer.de/immo/).
Sind all die Behauptungen der Sylter Geschäftswelt gerechtfertigt?
Merret macht den Faktencheck.
Die SU sagen: Über Jahrzehnte wurde bei Objekten nicht zwischen Dauerwohnen, Zweitwohnen, Ferienwohnen unterschieden. Erst später hätten Gerichtsurteile festgelegt, dass eine genaue Unterscheidung erforderlich sei. „Spätestens an dieser Stelle wäre es dringend notwendig gewesen, für unsere ausschließlich vom Tourismus lebende Destination nach baurechtlichen Lösungsmöglichkeiten für die Altbestände zu suchen.“
Merret sagt: Das ist doch geschehen. Die Verwaltung der Gemeinde Sylt hat die Gemeindevertreter und Verbände über Jahre mehrfach nachweislich auf die aktualisierte Baunutzungsverordnung und ihre Folgen für Sylt – und die Altbestände – hingewiesen. Das geht aus Sitzungsprotokollen hervor. Die Verwaltung entwickelte sogar einen neuen beispielhaften Bebauungsplan. Dieser jedoch verschwand in der Versenkung, nachdem er von der CDU im Bauausschuss mehrheitlich abgelehnt worden war. Zudem hat der stv. Vorsitzende der Sylter Unternehmer, Carsten Kerkamm, sogar persönlich an der Ausarbeitung der bundesweiten Gesetzesnovelle mitgewirkt (https://tinyurl.com/ydtdruvf). Auftraggeber war 2016 das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Vertretung der Bundesregierung. Carsten Kerkamm war aktiver Teil des Beratungsgremiums für das neue Bundesgesetz. Sylt wurde damals explizit ausgewählt wegen der enormen Bautätigkeit auf begrenztem Raum. Kerkamm wusste also bereits seit Jahren, was auf Sylt zukommen würde.
Wenn die SU auf ihrer Internetseite in einer früheren Fassung schreiben: „Man hat es schlichtweg nicht anders gewusst und keine der Behörden hat dieser Entwicklung entgegengewirkt oder zur Aufklärung beigetragen“, entspricht das nicht der Wahrheit. Im Gegenteil. Man muss stattdessen fragen: warum haben CDU und SU wissentlich die Gesetzeslage missachtet und die Hände in den Schoß gelegt?
Die SU sagen: „Die Insel Sylt ist der Jobmotor für Nordfriesland, was allein auch die hohe Anzahl an täglich 5.000 einpendelnden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern belegt.“ Ein wirtschaftlicher Rückgang durch Bettenreduzierung würde auch das Festland treffen.
Merret sagt: Stimmt. Sylt ist ein starker Jobmotor – auch fürs Festland. Doch auch dort wird inzwischen kräftig nach Personal gesucht und mittlerweile sehr gut bezahlt. Die 5.000 Sylt-Pendler machen deutlich, wie abhängig Sylt vom Festland ist. 5.000 Sylt-Pendler sind Ausdruck und Merkmal eines aus den Fugen geratenen Gleichgewichts zwischen Wohnen und Arbeiten. 5.000 Pendler bringen kein Geld nach Sylt. Im Gegenteil. Sie ziehen es ab, nehmen es mit aufs Festland und beweisen nur eins, dass die „Sylter Wirtschaft“ zusammenklappt, wenn die Bahn nicht fährt. Ohne Dauerwohnungen ist das eine Abwärtsspirale.
Die SU sagen: „Die Frage, wieviel Dauerwohnraum aktuell und perspektivisch benötigt wird, kann mangels konkreter Daten nicht abschließend beantwortet werden.“
Merret sagt: Falsch. Konkrete Zahlen liegen seit langem vor. Das KLM beschäftigt sich mit nichts anderem. Laut Wohnraumentwicklungskonzept fehlen auf Sylt 2.300 Dauerwohnungen (bis 2027). Jedes Jahr werden 100 Dauerwohnungen auf der Insel umgewandelt.
Die SU sagen: Auf Sylt könne man sich eine Immobilie nur leisten, „wenn außergewöhnlich gut verdient wird oder ein guter Vermögenshintergrund (Eltern) gegeben ist.“ Daher mache es keinen Sinn, Dauerwohnen in Bebauungsplänen festzuschreiben, weil es „für die hier lebende Bevölkerung aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeit überwiegend nicht möglich sein wird, diesen zu finanzieren oder die hierfür erforderlichen Mieten zu erbringen.“
Merret sagt: Die Inselbewohner werden hier als kapitalschwaches Dienstleistungsgeschwader dargestellt, das sich die eigene Insel nicht mehr leisten kann. Das ist zynisch und zeigt nur eins, dass die Sylter Unternehmer den Wohnungsmarkt auf der Insel längst aufgegeben haben. Dauerwohnen kann und muss festgeschrieben werden, wenn weiterhin Menschen dauerhaft auf der Insel leben sollen. Dass sich Normalverdiener keine Immobilien auf Sylt leisten können, heißt doch nicht, dass sie kein Recht auf eine anständige Wohnung haben. Dauerwohnen heißt vor allem Miete und bedeutet: Nachbarschaft. Sozialleben. Kinder und Schulen. Dauerwohnen heißt menschenwürdige, bezahlbare Unterbringung für dringend benötigtes, qualifiziertes Personal, das die Insel an allen Ecken und Kanten braucht.
Die SU sagen: „Die geltenden Mieterschutzgesetze werden viele Immobilieneigentümer davon abhalten, ihre [Ferien-]Objekte in die Dauervermietung zu geben.“
Merret sagt: Haltlose Behauptung. Es gibt genügend Gegenbeispiele für Festvermietungen von Ferienunterkünften. Und es werden immer mehr.
Die SU sagen: „Viele der [Ferien-]Objekte sind aufgrund ihres Zuschnitts für Dauerwohnen ungeeignet.“
Merret sagt: Umgekehrt ist es richtig. Es gibt auf Sylt deutlich mehr Dauerwohnungen, die aufgrund ihres Zuschnitts (Keller und Dachböden) für die Ferienvermietung ungeeignet sind. Selbstverständlich passen Dauermieter auch in Ferienwohnungen, in deren Gärten und auf deren Terrassen.
Die SU sagen: „Daher ist ein intensiver Austausch zwischen Politik, Wirtschaft und insularen Fachleuten erforderlich, um ein grundlegendes Gesamtbild zu erhalten.“
Merret sagt: Augenwischerei. Das „grundlegende Gesamtbild“, das die Sylter Unternehmer hier einfordern, liegt längst auf dem Tisch. Es gibt gültige politische Beschlüsse, belastbare Gutachten und eine eindeutige Rechtslage. Das gilt es zu akzeptieren und zu respektieren. Jetzt ist der Moment für die Sylter Wirtschaftsverbände, sich daran anzupassen und diese nicht weiter zu torpedieren. Es geht vorwärts und nicht rückwärts. Und warum soll der Austausch nur zwischen „Politik, Wirtschaft und insularen Fachleuten“ stattfinden? Soll das ewig so weitergehen? Diese Allianz hat Sylt doch erst in diese prekäre Lage gebracht.
Die SU sagen: „Wir würden uns genau diesen Dialog wünschen! Frei von Vorurteilen und offen im Miteinander!“
Merret sagt: Ist das ein Gesprächsangebot? „Die Botschaft hör ich wohl. Allein mir fehlt der Glaube.“ (Goethe) Ist das Dialogangebot wirklich ernst gemeint? Die Sozialverbände, die Sylter Kulturvereine, Umweltverbände, Kirchenvertreter, gemeinnützige Organisationen, Initiativen, die Jugend, der Seniorenbeirat – und auch Merret – würden sich freuen.
Fazit: Es ist vollkommen legitim und üblich, dass Wirtschaftsverbände ihre Interessen offenlegen und nachdrücklich vertreten. Doch die aktuelle Infokampagne der Sylter Geschäftsleute hält einem Faktencheck nicht stand. Die Idee ist gut. Sie ist wichtig und richtig. Aber die Kampagne zielt einzig und allein darauf ab, das professionalisierte Schwungrad aus Immobilienhandel, Ferienvermietung und Touristendurchschleusung nicht anhalten zu müssen.
Um die Sylter Einwohner sorgt man sich nur, sofern sie zu den Immobilienbesitzern gehören. „Offen im Miteinander“? Darüber würden sich viele Insulaner und Insulanerinnen tatsächlich freuen. Man sollte die Wirtschaftsverbände beim Wort nehmen, damit sie tatsächlich einen offenen Dialog organisieren, wo die Antworten nicht schon von vornherein feststehen.
Merret setzt sich seit langem dafür ein, dass von der Politik ein Bürgerrat eingerichtet wird, ein faires, repräsentatives und konzeptionell erprobtes Partizipationsmodell, das Lösungswege erarbeitet.
Denn, wie die Sylter Wirtschaft so treffend formuliert: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ (Aber die einen angeln, die anderen rudern.)
Wie funktioniert ein Bürgerrat?
Wie Sylt gegen illegale Ferienwohnungen vorgeht- DLF berichtet
Die Sommersaison 2024 wird auf Sylt eine ganz besondere sein. Zum ersten Mal steht nicht mehr jede Ferienwohnung zur Verfügung, denn die Kreisbaubehörde hat bereits einige stillgelegt. Die negativen Folgen eines ausufernden Tourismus auf Deutschlands beliebtester Ferieninsel sollen künftig begrenzt werden. Deutschlandfunk-Korrespondent Jörn Schaar hat zum Start in die Urlaubssaison auf der Insel umgehört und auch mit Merret-Gründerin Birte Wieda gesprochen. Seine Radioreportage ist hier dokumentiert.